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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes
Autoren: Michael Wilcke
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einen Dolch hervor und ging damit auf Anneke los. Anneke war darauf vorbereitet gewesen, daß Svante sie in eine Falle locken wollte, doch es überraschte sie, daß Ohlins Frau eine Waffe bei sich führte. Ihr blieb keine andere Wahl, als auf die Treppe auszuweichen. Ungelenk stolperte sie in den Keller. Sie befürchtete, daß Svante Ohlin ihr nachsetzen würde, doch die schlug nur die Tür zu, und sofort darauf hörte sie einen Schlüssel klappern.
    Sie war gefangen.
    Anneke blickte sich um. Im Halbdunkel fiel ihr eine Tür auf, die mit einem Riegel verschlossen war. Daneben befand sich in einem Verschlag ein Haufen Brennholz. Sie wollte sich der verriegelten Tür zuwenden, doch ihre Augen blieben an dem Holzstapel hängen. Zwischen den Scheiten lugte etwas Seltsames hervor. Sie beugte sich hinunter, berührte die merkwürdige Form und schrie spitz auf, als sie begriff, daß es sich um die kalte Hand einer Leiche handelte.
    Sie hat ihn getötet, schoß es Anneke durch den Kopf. Diese Teufelin hat Magnus Ohlin umgebracht. Ein Zittern durchlief sie von den Füßen bis in die Fingerspitzen, und sie sackte schluchzend auf die Knie.

|295| Kapitel 29
    Gebete hatten Ove Dahlgren oft geholfen, schwierige Abschnitte seines Lebens oder auch einzelne Momente, in denen er große Wagnisse eingegangen war, zu bestehen. Sie hatten ihm die Kraft gegeben, die blutigen Schlachten des Krieges zu überleben, und sie hatten ihm auch geholfen, die Jahre im Karzer von Stockholm hinter sich zu bringen, ohne dort im Verlies den Verstand zu verlieren.
    Nun half ihm das Vaterunser dabei, das er zischend hervorstieß, trotz seiner Verletzung auf die Beine zu kommen und die letzte und wichtigste Aufgabe seines Lebens zu beenden. Dahlgren wankte zur Tür der Dachkammer und krallte sich an einem Eisenhaken fest, um nicht zusammenzubrechen. Er stieß mit einem schwachen Tritt die Tür auf, so daß er die schmale Treppe überblicken konnte, auf der in diesem Augenblick Svante hinaufstürmte und ihm keuchend den Dolch der Falken reichte.
    »Was ist mit dem Mädchen?« fragte er.
    »Ich habe sie in den Keller gesperrt.«
    »Gut.« Dahlgren reckte sein Kinn zu der Tür der Kammer, in der sich die Königin aufhielt. Er holte tief Luft, um die Kraft zum Sprechen aufzubringen. »Ich werde … diese Stufen … nicht mehr hinabsteigen können. Schau nach der Königin. Wenn sie bereits benommen ist, bring sie … zu mir.« Er deutete auf die breite, eisenbeschlagene Eichentruhe. »Hier soll sie für ihre Blasphemie gerichtet werden.«
    Svante trat auf die erste Stufe, dann aber wandte sie sich um und fragte: »Was wird danach sein? Was geschieht mit Euch?«
    |296| Einen Augenblick lang schaute er sie nur traurig an. Es betrübte Dahlgren, daß ihre Zusammenführung nur von so kurzer Dauer gewesen war. Er hatte Svante bereits begehrt, als sie noch seine Schülerin gewesen war. Er wußte nicht, ob auch sie mehr als die gewöhnliche Zuneigung zu einem Mentor für ihn empfunden hatte, denn sie hatten über dieses Dilemma niemals ein Wort verloren. Auch damals hatten ihn die Gebete davor bewahrt, von seinen sündigen Gelüsten und unreinen Gedanken übermannt zu werden.
    Heute würde sich ihr Weg für immer trennen. Dahlgren spürte, daß sein Leben mit der Erfüllung der heiligen Pflicht ein Ende finden würde. Der Tod konnte für ihn nur Erlösung bedeuten.
    Er überlegte kurz, ob er Svante anvertrauen sollte, wie dankbar er ihr war und was sie all die Jahre für ihn bedeutet hatte, doch nach einem Moment des Zögerns sagte er nur: »Geh schon!«
    Svante nickte und trat nach unten. Es dauerte nicht lang, da tauchte sie wieder auf der Treppe auf. Im Arm hielt sie eine zweite Person umklammert, die mit gesenktem Kopf so träge ihre Schritte setzte, als wäre sie betrunken. Dahlgren wäre es lieber gewesen, wenn die Königin in den letzten Momenten ihres Lebens die Konsequenzen ihrer Sünde begriffen hätte. Doch darauf konnte er keine Rücksicht mehr nehmen. Nun kam es nur noch darauf an, das Urteil zu vollstrecken.

    Der Schrei löste Magnus aus der Benommenheit. Er schlug die Augen auf. Um ihn herum war es dunkel. Sein Kopf schmerzte. Als er die Hand an den Schädel legte, ertastete er eine Beule oberhalb seiner Stirn.
    Jemand hatte ihn niedergeschlagen. Svante! Er hatte mit Svante den Keller betreten. Sie mußte ihn mit einem Stein |297| oder einem Knüppel niedergestreckt und in die Vorratskammer gesperrt haben.
    Er setzte sich auf und glaubte die Stimme zu
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