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Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)

Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)

Titel: Die Euro-Lügner: Unsinnige Rettungspakete, vertuschte Risiken - So werden wir getäuscht (German Edition)
Autoren: Hans-Olaf Henkel
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geplündert wurden. So ersparte er seiner Familie den 40-prozentigen haircut , also die staatliche Teilenteignung ihrer Guthaben, die sich nun alle bessergestellten Sparer gefallen lassen müssen. Im April 2013 hat der Präsident erklärt, dass der inzwischen eingesetzte Untersuchungsausschuss nicht nur seine Verwandten, sondern auch seine eigene Anwaltskanzlei überprüfen wird. Im Übrigen habe er sich nichts vorzuwerfen. Hatte er dabei im Hinterkopf, dass Schummeleien schon immer zu den Usancen der Euro-Gruppe gehören? Dass ihr mächtigster Vertreter davon bei Bedarf Gebrauch machte? Und wann herrschte kein Bedarf?
    Die Macht des Schummlers Juncker stand in umgekehrtem Verhältnis zur Größe seines Landes. Luxemburg hat so viele Einwohner wie Hannover, aber mehr Einfluss in Europa als jedes deutsche Bundesland, teilweise als die ganze Bundesrepublik. Das liegt daran, dass Luxemburg seine Nachbarn Frankreich und Deutschland – wie Grimms tapferes Schneiderlein die Riesen – gegeneinander ausspielt.
    Keiner beherrschte dieses Spiel besser als der polyglotte Jean-Claude Juncker. Von 2004 bis 2012 war er als Vorsitzender der Euro-Gruppe maßgeblich an der Rettung der Einheitswährung beteiligt, die sich für die Geberländer irgendwann zur finanziellen Katastrophe auswachsen wird. Nicht dagegen für Luxemburg, das nur für einen winzigen Bruchteil dessen haftet, was seine großen Nachbarn zu zahlen haben.
    Dass das kleine Herzogtum in Gestalt Junckers einen solch prägenden Einfluss auf Europa nehmen konnte, lag nicht zuletzt am Naturell seines Ministerpräsidenten. Allzeit heiter, entspannt, für jeden Scherz zu haben, muss man ihn einfach mögen. Als »Handaufleger Europas« hat ihn der Euro-Kritiker und Spitzenkandidat der Berliner Sektion der »Alternative für Deutschland« für die Bundestagswahl Joachim Starbatty bezeichnet. Und das war nicht einmal im übertragenen Sinn gemeint. Der Mann, der tatsächlich seine Hand auf Europas Finanzen gelegt hat, ließ sie auch, jovial und kumpelhaft, auf den Schultern aller Politiker ruhen. Widerstand zwecklos.
    Sein Begrüßungsritual, so hat Starbatty in seinem Buch Tatort Euro augenzwinkernd notiert, variierte zwischen »der Art zweier Boxer, die ihre Hände gegeneinander knuffen« (Josef Ackermann), herzlicher Umarmung (François Hollande), Handauflegen auf den Rücken ( EU -Parlamentspräsident Martin Schulz), Kuss auf die Stirn (Präsident Zyperns) oder einem sanften Auflegen seiner »linken Hand auf der rechten Schulter« Angela Merkels.
    Um auch meine persönliche Erfahrung mit Junckers Körpersprache beizutragen: Bei einem Besuch der Salzburger Festspiele – meine Frau war gerade einkaufen – trank ich auf einem Platz nahe Mozarts Geburtshaus einen Latte macchiato. Plötzlich fühlte ich, wie jemand seine Hände auf meine Schultern legte und sich spielerisch aufstützte. Ich drehte mich um, es war Jean-Claude Juncker. Nicht, dass wir vorher ein Vertrauensverhältnis gehabt hätten, das derlei kumpelhafte Gesten gerechtfertigt hätte. Zwar kannte ich ihn, aber mit der politisch üblichen Distanz. Durch seinen überraschenden Zugriff aber, das spürte ich sofort, hatte er ein Scheinvertrauensverhältnis geschaffen, das einen schlicht entwaffnet. Man legt die Vorsicht ab – und ist gefangen. In diesem Fall folgte ein ganz entspanntes Gespräch über die amerikanische Immobilienkrise, die nun auch Europa erfasst hatte.
    Der Mann, der sein jeweiliges Gegenüber mit sprachlichem und körperlichem Charme unmerklich auf seine Seite zog, bediente sich, so Starbatty, auch »schmutziger Tricks«. Denn zur Rettung des Euro war ihm jedes Mittel recht. Schon 1999 gewährte er Einblick in seine Trickkiste, als es darum ging, die nationalstolzen Europäer zur teilweisen Aufgabe ihrer Souveränität zu zwingen: Man muss es ihnen so sagen, dass sie es nicht begreifen – und wenn sie nicht aufmucken, tut man es einfach. Hat man dann »vollendete Tatsachen« geschaffen, bleibt den Bürgern nichts übrig, als diese abzunicken.
    In seinen eigenen Worten: »Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert«, so sagte er dem Spiegel 1999. »Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.« Die Aufgabe eines Europapolitikers bestand für ihn also darin, gerade nicht zu tun, was sein
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