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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4
Autoren: Émile Zola
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müssen.« Sie hob den Kopf, ohne zu antworten; ihr ganzes Gesicht weigerte sich, dieses Haus, dessen kleinste Winkel sie bereits kannte, zu verlassen. Sie zuckte unmerklich die Schultern, während die verschwommenen Augen von der Küche zum Garten und vom Garten zum Wohnzimmer schweiften.
    Mouret verlor unterdessen die Geduld. Als er sah, daß weder die Mutter noch der Sohn entschlossen zu sein schienen, das Feld zu räumen, begann er wieder:
    »Wir haben nämlich keine Betten, leider … Auf dem Boden steht wohl ein Gurtbett, mit dem Madame zur Not bis morgen fürliebnehmen könnte; nur sehe ich nicht recht, worauf der Herr Abbé sich schlafen legen soll.«
    Da öffnete Frau Faujas endlich die Lippen. Sie sagte kurz in etwas rauhem Ton:
    Mein Sohn »wird das Gurtbett nehmen. Ich, ich brauche nur eine Matratze in einer Ecke auf dem Fußboden.«
    Der Abbé billigte diese Regelung mit einem Kopfnicken. Mouret wollte laut Einspruch erheben, wollte etwas anderes suchen; aber angesichts des zufriedenen Aussehens seiner neuen Mieter schwieg er und begnügte sich, mit seiner Frau einen Blick des Erstaunens zu wechseln.
    »Morgen ist auch ein Tag«, sagte er mit der ihm eigenen, etwas spitzen und biedermännischen Art. »Sie können sich mit Möbeln einrichten, wie Sie es wünschen. Rose wird hinaufgehen, um das Obst wegzuschaffen und die Betten herzurichten. Wenn Sie einen Augenblick auf der Terrasse warten wollen … Los, Kinder, bringt zwei Stühle her.«
    Die Kinder waren seit der Ankunft des Priesters und seiner Mutter ruhig am Tisch sitzen geblieben. Sie musterten sie neugierig. Der Abbé schien sie nicht bemerkt zu haben; aber Frau Faujas war bei jedem von ihnen einen Augenblick stehengeblieben und hatte sie dabei scharf ins Auge gefaßt, als wollte sie auf Anhieb in diese jungen Köpfe eindringen. Als sie die Worte ihres Vaters hörten, bemühten sich alle drei und brachten Stühle hinaus.
    Die alte Dame setzte sich nicht. Als sich Mouret, weil er sie nicht mehr gewahrte, umdrehte, sah er sie vor einem der halbgeöffneten Fenster des Salons aufgepflanzt; sie machte einen langen Hals und beendete ihre Musterung mit gelassener Ungezwungenheit wie jemand, der ein zu verkaufendes Anwesen, besichtigt. In dem Augenblick, da Rose den kleinen Koffer aufhob, kam sie in die Diele zurück und sagte einfach:
    »Ich gehe nach oben, ihr helfen.« Und sie ging hinter der Wirtschafterin nach oben.
    Der Priester wandte nicht einmal den Kopf; er lächelte den drei Kindern zu, die vor ihm stehengeblieben waren. Sein Gesicht hatte, wenn er wollte, trotz der Härte der Stirn und den strengen Falten des Mundes einen Ausdruck großer Sanftmut.
    »Ist das Ihre ganze Familie, Madame?« fragte er Marthe, die herzugetreten war.
    »Ja, Herr Abbé«, antwortete sie, durch den scharfen Blick, mit dem er sie anstarrte, in Verlegenheit gebracht.
    Aber er betrachtete wieder die Kinder und fuhr fort:
    »Das sind zwei große Burschen, die bald Männer sein werden … Sind Sie mit Ihrer Ausbildung fertig, mein Freund?« Er wandte sich an Serge.
    Mouret schnitt seinem Sohn das Wort ab.
    »Der hier ist fertig, obwohl er der Jüngere ist. Wenn ich sage, er ist fertig, meine ich damit, daß er Baccalaureus3 ist, denn er ist wieder ins Gymnasium zurückgekehrt, um ein Jahr Philosophie4 zu machen: das ist der Gelehrte der Familie … Der andere, der Altere, dieser große Lümmel, ist nicht viel wert, sage ich Ihnen. Er hat es schon zweimal zuwege gebracht, beim Baccalaureat durchzufallen, und dabei ein Taugenichts, immer die Nase in der Luft, fuhrt sich immer auf wie ein Gassenjunge.«
    Octave hörte diese Vorwürfe lächelnd an, während Serge unter den Lobsprüchen den Kopf gesenkt hatte.
    Faujas schien sie noch einen Augenblick schweigend zu mustern; zu Désirée übergehend und sein sanftes Aussehen wiederfindend, fragte er dann:
    »Mademoiselle, werden Sie mir erlauben, Ihr Freund zu sein?«
    Sie antwortete nicht; fast erschreckt verbarg sie ihr Gesicht an der Schulter ihrer Mutter. Diese drückte sie, anstatt ihr das Gesicht frei zu machen, noch stärker an sich, indem sie ihr einen Arm um die Taille legte.
    »Verargen Sie ihr das nicht«, sagte sie mit einiger Traurigkeit, »sie hat nicht viel Verstand, sie ist ein kleines Mädchen geblieben … Sie ist einfältig … Wir quälen sie nicht mit Lernen. Sie ist vierzehn Jahre alt, und sie weiß noch nichts weiter, als die Tiere zu lieben.«
    Désirée hatte sich unter den Liebkosungen ihrer Mutter
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