Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
nicht auf die Erde zu stellen. Unter dem ein wenig hochgehobenen Deckel guckte zwischen Wäschebündeln die Ecke eines in Papier eingewickelten Kammes und der Hals einer schlecht verkorkten Literflasche hervor.
    »Nein, nein, lassen Sie das«, sagte Mouret und stieß mit dem Fuß leicht gegen den Koffer. »Er dürfte nicht schwer sein. Rose wird ihn gut allein hinaufbringen.« Er war sich zweifellos nicht der geheimen Geringschätzung bewußt, die in seinen Worten durchbrach.
    Die betagte Dame starrte ihn mit ihren schwarzen Augen an; dann kam sie zurück in das Wohnzimmer, an den gedeckten Tisch, den sie musterte, seit sie da war. Mit zusammengekniffenen Lippen ließ sie den Blick von einem Gegenstand zum anderen schweifen. Sie hatte nicht ein Wort gesprochen.
    Indessen willigte Abbé Faujas ein, seinen Koffer stehenzulassen. Im gelben Sonnenstaub, der durch die Gartentür hereinkam, wirkte seine fadenscheinige Soutane ganz rot; an den Säumen war sie mit Ausbesserungen geradezu bestickt; sie war sehr sauber, aber so dünn, so jämmerlich, daß Marthe, die bis dahin mit einer Art unruhiger Zurückhaltung sitzen geblieben war, nun ebenfalls aufstand. Der Abbé, der nur einen raschen Blick auf sie geworfen und sich sogleich abgewandt hatte, sah sie ihren Stuhl verlassen, obwohl er sie keineswegs zu betrachten schien.
    »Ich bitte Sie«, wiederholte er, »bemühen Sie sich nicht; wir wären untröstlich, Ihr Abendessen zu stören.«
    »Nun ja, ganz recht!« sagte Mouret, der Hunger hatte. »Rose wird Sie führen. Fragen Sie sie nach allem, was Sie brauchen … Richten Sie sich ein, richten Sie sich nach Belieben ein.«
    Abbé Faujas wandte sich, nachdem er gegrüßt hatte, bereits zur Treppe, als Marthe an ihren Mann herantrat und flüsterte:
    »Aber, mein Freund, denkst du nicht an …«
    »An was denn?« fragte er, als er sah, daß sie zögerte.
    »An das Obst, du weißt doch.«
    »Ah, zum Teufel! Das stimmt, da ist ja das Obst«, sagte er bestürzt. Und da Abbé Faujas zurückkam und ihn fragend ansah, begann er von neuem: »Es verdrießt mich wirklich sehr, mein Herr. Pater Bourrette ist sicherlich ein ehrenwerter Mann, nur ist es ärgerlich, daß Sie ihn mit Ihrer Angelegenheit beauftragt haben … Er hat nicht für zwei Heller Verstand … Wenn wir Bescheid gewußt hatten, wurden wir alles vorbereitet haben, statt daß wir jetzt einen Umzug bewerkstelligen müssen … Sie verstehen, wir benutzten die Zimmer. Da oben liegt auf dem Fußboden unsere gesamte Obsternte, Feigen Apfel, Rosinen …«
    Der Priester hörte ihm mit einer Überraschung zu, die seine große Höflichkeit nicht mehr zu verbergen vermochte.
    »Oh, aber das dauert nicht lange«, fuhr Mouret fort. »In zehn Minuten, wenn Sie sich die Muhe nehmen wollen zu warten, wird Rose Ihre Zimmer in Ordnung bringen.«
    Eine lebhafte Unruhe auf dem erdfarbenen Gesicht des Priesters nahm zu.
    »Die Wohnung ist möbliert, nicht wahr?« fragte er. »Keineswegs, es steht nicht ein Möbelstuck drin; wir haben sie nie bewohnt.«
    Nun verlor der Priester seine Ruhe; ein Schimmer trat in seine grauen Augen. Er rief mit zurückgehaltener Heftigkeit:
    »Wie! Aber ich hatte in meinem Brief ausdrücklich darum ersucht, eine moblierte Wohnung zu mieten. Ich konnte in meinem Koffer wahrhaftig keine Möbel unterbringen.«
    »Na, was habe ich gesagt?« rief Mouret lauter. »Dieser Bourrette ist unglaublich … Er ist gekommen, mein Herr, und er hat die Apfel bestimmt gesehen, denn er hat selber einen in die Hand genommen und dabei erklärt, daß er selten einen so schönen Apfel bewundert habe. Er hat gesagt, daß ihm alles sehr gut erscheine, daß es das sei, was er brauche, und daß er mieten wolle.«
    Abbé Faujas hörte nicht mehr hin; eine Zorneswoge war in seine Wangen gestiegen. Er wandte sich um und stammelte mit ängstlicher Stimme:
    »Mutter, hören Sie? Es sind keine Möbel da.«
    Die alte Dame, die in ihren dünnen schwarzen Schal eingewickelt war, hatte gerade in verstohlenen Schrittchen, ohne ihren Korb loszulassen, das Erdgeschoß besichtigt. Sie war bis zur Tür der Küche vorgedrungen, hatte deren vier Wände gemustert; dann war sie auf die Freitreppe zurückgekommen und hatte mit einem Blick langsam vom Garten Besitz ergriffen. Vor allem aber interessierte sie das Wohnzimmer; sie blieb wieder gegenüber dem gedeckten Tisch stehen und schaute zu, wie die Suppe dampfte, als ihr Sohn mehrmals zu ihr sagte: »Hören Sie, Mutter? Wir werden ins Hotel gehen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher