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Die Erfolgsmasche

Titel: Die Erfolgsmasche
Autoren: Hera Lind
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nächtlichen Kulisse Salzburgs ganz romantisch küssen. Und dass er mir verspricht, für den Rest meines Lebens für mich da zu sein.
    Ich stelle es mir ganz intensiv vor. Warum steht dieser Siegfried dann immer noch hinter mir?
    Lieber Gott, mach, dass er jetzt auf seinen Drahtesel steigt und weiterradelt. Die Einkaufstüten an meinen Handgelenken werden so schwer, dass sie jeden Moment reißen müssen. Zwei Liter Milch in jeder Tüte, dazu Cornflakes, Brot, Konserven, Tiefkühlspinat, Kartoffeln, Eier, Wurst, Käse und Joghurt, vier Flaschen Mineralwasser, außerdem noch meine wöchentliche Frauenliebe und Leben , Deutschlands meistgelesenes Hausfrauenmagazin mit den vielen Rätseln, Schönheitstipps und der tollen Kolumne von Sonja Rheinfall. Ich freue mich schon darauf, in meine Wohnung hinaufzufahren, mir eine Tasse Tee zu machen und genüsslich meine eigene Kolumne zu lesen. Gleich brechen meine Arme ab.
    Doch Siegfried bleibt so dicht hinter mir stehen, dass ich mir albern vorkomme, weiterhin diese fremden Fotos anzustarren. Speziell dieses eine. Von dem griechischen Gott.
    Okay, Siegfried will es nicht anders. Ich drehe mich um.
    »Tja, äh … So schnell sieht man sich wieder!«
    »Hallo«, sagt Siegfried, mustert mich erfreut, und seine Augen hinter den Brillengläsern blinzeln nervös.
    »Was machen Sie denn hier? So ein Zufall!« »Ich schleppe mich und meine Einkäufe nach Hause«, sage ich lahm, während mir die Tütenhenkel immer schmerzhafter ins Fleisch schneiden. »Und Sie? Beraten Sie zufällig wieder eine verzweifelte Hausfrau in Sachen Computer?«

    »Nein«, antwortet Siegfried und muss seine Brille abnehmen, weil sie beschlagen ist.
    Dicke Schneeflocken fallen vom Himmel und bleiben auf seinem blauen Tuchmantel kleben. Mein Blick wandert unauffällig zu dem Saum, der seine Waden umspielt.
    Nichts zu sehen. Alles bestens. Die Schneeflocken schmelzen in Sekundenschnelle und blinken mir als Wassertropfen von seinen Schultern entgegen. Siegfried setzt seine Brille wieder auf und sagt: »Ich habe gerade an der Uni einen Vortrag gehalten.«
    »Oh«, sage ich. »An der Uni! Wow.«
    »Na ja. Die Studenten arbeiten halt alle mit Computern, und wir bieten Userkurse für verschiedene Fachgebiete an …«
    Siegfried jongliert mit Fachbegriffen - genauso gut könnte er mir von archäologischen Ausgrabungen erzählen oder von griechischen Panzerechsen, denn ich verstehe kein Wort. Natürlich nicke ich interessiert und sehe seinem Mund beim Sprechen zu.
    Nur, dass meine Tüten jede Sekunde reißen können. Und meine Arme kurz davor stehen, ausgekugelt zu werden. Erschöpft stelle ich die Tüten in den Schneematsch. Sie fallen sofort um, und der Inhalt purzelt heraus. Die Frauenliebe und Leben blättert sich auf. Ich muss mich zwingen, sie wieder zusammenzurollen und in die Tüte zu stopfen. Viel lieber würde ich auf der Stelle die Kolumne von Sonja Rheinfall lesen. Aber das muss warten, bis ich zu Hause, im Warmen bin.
    In Windeseile lässt Siegfried sein Fahrrad fallen und hilft mir beim Einsammeln meiner Habseligkeiten. Was muss der arme Mann nur von mir denken!
    Der wird sich doch nicht … Ich meine, der wird doch nicht denken, dass … Ja, hat der denn kein Zuhause?

    »Geben Sie her, das schaffe ich schon allein.«
    »Nein, das hänge ich an meinen Lenker. Meine Güte, ist das schwer!«
    Gemeinsam wuchten wir Fahrrad und Tüten hoch und trotten Schulter an Schulter nach Hause. Man könnte glatt meinen, wir sind ein eingespieltes altes Ehepaar, das jetzt zu den Kindern geht, um die Hausaufgaben zu kontrollieren!
    Aber der arme Mann hat bestimmt was Besseres vor. Ich kann ihm unmöglich zumuten, mir die Tüten nach oben zu schleppen. Der bringt das glatt fertig - und ich stehe noch tiefer in seiner Schuld.
    Bisher hat er mir nicht mal die Rechnung für seine Beratung und die Mantelreinigung geschickt. Die ganze Begegnung ist mir unendlich peinlich.
    »Halt«, sage ich, als wir in meine schmale Straße einbiegen. »Bei mir zu Hause ist nicht aufgeräumt.« Entschlossen stelle ich einen Fuß vor das Fahrrad.
    »Aber die Säuberungsarbeiten sind doch sicher schon erfolgt?«
    Siegfried sieht mich so merkwürdig an. Redet der ernsthaft so förmlich, oder will er scherzen?
    »Ist der Aufzug schon wieder funktionstüchtig?«
    »Ja, natürlich.« Mann. Ich erröte, dabei ist dieser Siegfried überhaupt nicht mein Typ. Nicht im Geringsten! Es stört mich aber, dass er mich für ein völlig überfordertes Weibchen
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