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Die Enklave

Die Enklave

Titel: Die Enklave
Autoren: Michael Ann; Pfingstl Aguirre
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die ich mein Eigen nennen konnte.
    Mein Zimmer bestand aus drei nackten Wellblechwänden und einem zerlumpten Stofffetzen, der die Illusion von Privatsphäre erzeugen sollte. Jeder besaß mehr oder weniger das Gleiche; den einzigen Unterschied machten die Schätze aus, die jeder in seinem Zimmer hütete. Ich hatte eine heimliche Schwäche für glitzernde Gegenstände. Ständig war ich auf der Suche nach Dingen, die glänzten, wenn ich sie ins Licht hielt.
    »War das alles?«
    Noch bevor ich antworten konnte, war Zwirn schon wieder auf dem Weg zurück in den Kochbereich. Ich nahm einen tiefen Atemzug, dann trat ich durch den Vorhang. Ich sah eine Lumpenmatratze und eine Holzkiste für meine paar Habseligkeiten. Niemand durfte diesen Raum ohne meine Erlaubnis betreten. Ich hatte mir das Recht auf ein eigenes Zimmer verdient.

    Trotz meiner Besorgnis lächelte ich, während ich meine neuen Waffen verstaute. Niemand würde hier drinnen etwas anrühren, und es war ratsam, dem Worthüter nicht bis an die Zähne bewaffnet gegenüberzutreten. Wie Dreifuß war er schon etwas älter und verhielt sich manchmal seltsam.
    Ich war alles andere als scharf auf diese Befragung.

ANHÖRUNG
    Es dauerte nicht lange, ihm die Geschichte zu erzählen und ihm die Büchse zu zeigen. Er griff hinein und ließ den rosafarbenen Staub durch seine Finger rieseln. Mit großer Sorgsamkeit zog er die Karte heraus.
    »Ihr sagt, ihr besitzt dieses Objekt bereits seit einiger Zeit?« Der Worthüter funkelte uns an, als hätten wir uns zumindest des Tatbestands der unglaublichen Dummheit schuldig gemacht.
    »Wir haben sie eingetauscht und beschlossen, sie an 15s … äh, Zweis Namensgebungstag zu öffnen«, erklärte Stein.
    »Bis zum heutigen Tag wusstet ihr also nicht, was sich darin befindet?«
    »Nein, Sir«, antwortete ich.
    Fingerhut nickte schüchtern. Sie war sehr unsicher, weil sie hinkte, und die Enklave tolerierte solche Gebrechen nur in seltenen Fällen. Doch das ihre war nur geringfügig und beeinträchtigte ihre Leistungsfähigkeit als Schafferin nicht. Ich würde sogar sagen, dass sie doppelt so hart arbeitete, damit niemand das Gefühl bekommen konnte, die Enklave hätte in ihrem Fall die falsche Entscheidung getroffen.
    »Würdet ihr das auch unter Eid schwören?«, fragte der Worthüter.

    »Ja«, antwortete Fingerhut. »Keiner von uns wusste, was sich darin befindet.«
    Aus dem Kochbereich holten sie Kupfer als Zeugin, und mit einem Knurren beglaubigte der Worthüter die Urkunde.
    »Ihr seid entlassen. Ich werde euch meine Entscheidung rechtzeitig wissen lassen.«
    Mir war schlecht, als wir zu meinem Zimmer gingen. Aber ich wollte es ihnen unbedingt zeigen. Wenn Fingerhut als Anstandsdame dabei war, konnte ich Stein ruhig mit hineinnehmen. Wie in den alten Zeiten im Schlafraum für Bälger machten wir es uns zu dritt auf der Lumpenmatratze bequem. Stein saß zwischen uns und legte uns einen Arm um die Schulter. Er fühlte sich warm und vertraut an, und ich lehnte meinen Kopf an seine Brust. Niemand durfte mich auf diese Weise berühren, aber bei Stein war das etwas anderes. Wir waren schon als Bälger befreundet gewesen und damit praktisch blutsverwandt.
    »Uns wird nichts passieren«, sagte er. »Sie können uns nicht für etwas bestrafen, das wir nicht getan haben.«
    Als ich das Wohlbehagen sah, das sich in Fingerhuts Gesicht widerspiegelte, fragte ich mich, ob sie als Zeugerin nicht besser dran wäre. Aber die Ältesten würden es nicht zulassen, selbst wenn sie darum bitten würde. Niemand wollte, dass Geburtsdefekte an die nächste Generation weitergegeben wurden, selbst die kleinen, harmlosen.
    »Er hat recht«, stimmte sie Stein zu.
    Ich nickte. Die Ältesten waren verantwortlich für uns. Natürlich mussten sie der Sache nachgehen, aber sobald die Beweisaufnahme abgeschlossen war, hatten wir nichts mehr zu befürchten. Wir hatten alles richtig gemacht und das Schriftstück sofort ausgehändigt, als wir es fanden.

    In Gedanken versunken spielte Stein mit meinen Haaren. Für ihn war das eine ganz einfache, instinktive Handlung. Zeuger durften jeden berühren. Für mich war es erschreckend zu sehen, wie leichtfertig sie umarmten und streichelten. Schaffer und Jäger mussten höllisch aufpassen, nicht irgendeines Vergehens angeklagt zu werden.
    »Ich muss los«, sagte Stein entschuldigend.
    »Um ein paar neue Bälger zu machen oder um dich um die alten zu kümmern?«, fragte Fingerhut mit einem Anflug von Wut.
    Einen Moment lang
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