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Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin

Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin

Titel: Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Autoren: Bernhard Hennen
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Tafelbergen. Ruß und allerlei Unrat sprenkelte das Weiß. In der Mitte, wo die Strömung des Kanals am stärksten war, schien das Eis nur dünn zu sein. Man konnte das dunkle Wasser hindurchschimmern sehen.
    Verstohlen blickte die Königin zu ihrem Begleiter. Ollowain hatte sich Lyndwyn gegenüber nach ihrem Tod wohl bis ans Ende aller Zeiten schuldig gefühlt. Hatte er sie wirklich geliebt? Oder war es allein diese Schuld, die ihn an Lyndwyn gebunden hatte? Sie würde es nie mehr erfahren.
    Emerelle wusste nicht, was genau mit ihrem Schwertmeister nach der Schlacht am Mordstein geschehen war, aber die Persönlichkeit Ollowains hatte sich vollständig aufgelöst. Wahrscheinlich war er das Opfer eines heimtückischen Zaubers geworden, während er der Sklave der Lutin gewesen war. Er war wie ein Stück Pergament, das gründlich mit einer feinen Klinge abgeschabt worden war. Die Geschichte seines jahrhundertelangen Lebens war vollständig ausgelöscht. Zurück blieb allein ein leeres Blatt.
    So hatte Falrach von Ollowains Leib Besitz ergreifen können. Er war eine frühere Inkarnation der Seele des Schwertmeisters, der wohl berühmteste Feldherr der Elfen. Ein genialer Taktiker, ein Spieler und Frauenheld, ein wahrer Blender. Ihre erste Liebe.
    Falrach hatte im Drachenkrieg sein Leben gegeben, um sie zu retten. Jahrhundertelang hatte sie um ihn geweint. Jede Inkarnation seiner Seele hatte sie aufgespürt. Lange hatte sie geglaubt, ihre Trauer und ihr Schmerz würden niemals enden. Wohl verborgen hinter der Maske der kühlen Herrscherin aber waren sie stets nahe gewesen. Doch mit der Zeit waren diese Gefühle zu eitlem Beharren geworden.
    Zeit, die Granitgebirge zu flachen Ebenen schleifte. Zeit war die Herrin von allem. Selbst die Liebe und ihr selbstsüchtiger Schmerz unterwarfen sich ihr. Sie hatte Falrach nicht vergessen, doch ohne es zu wollen, hatte sie sich in Ollowain verliebt. Ihren Schwertmeister, den selbstlosen Ritter, der seine Ideale nie den Kompromissen unterworfen hatte, die die komplexe Dialektik der Herrschaft ihr aufzwang. Als sie einander zum letzten Mal begegnet waren, hatten sie heftig gestritten. Er hatte sie in eine ausweglose Lage gebracht. Sie hatte ihn in die Bibliothek von Iskendria geschickt, um nach verschollenem Wissen zu forschen. Dabei begleitete ihn die Lutin Ganda. Eben diese Lutin war es, die ein Buch stahl, das einst von Meliander verfasst worden war. Der kluge, zärtliche Meliander. Noch ein Opfer der Zeit, dachte Emerelle traurig. Ihr Bruder war um so vieles empfindsamer gewesen als sie. Er hatte sich einst selbst entleibt, um seinen Weltschmerz zu beenden. Melancholie löschte sein Leben, das nach Jahrhunderten zählte.
    Wer die Bibliothek von Iskendria betrat, wurde darüber unterrichtet, dass das schwerste aller Verbrechen am dortigen Ort darin bestand, einen Text zu stehlen oder zu vernichten. Ein Verbrechen, das stets mit der Todesstrafe gesühnt wurde. Emerelle war sich ganz sicher, dass Ollowain nicht das Buch Melianders gestohlen hatte. Gewiss war es die Lutin Ganda gewesen. Aber der Schwertmeister hatte alle Schuld auf sich genommen und darauf bestanden, dass Ganda unschuldig sei.
    Was zählte eine Königin, die sich über die Gesetze stellte? Was zählten Gesetze, wenn sie nicht für jeden gleich waren?
    Sie hatte es nicht fertiggebracht, ein ehrenvolles Leben mit einer Hinrichtung im Hof ihrer Burg zu beenden. Zugleich war sie zornig darüber gewesen, dass Ollowain offensichtlich darauf vertraut hatte, sein Rang und ihre Liebe würden ihn vor der Strafe schützen. Sie hatte ihn in die Schlacht gegen die Trolle geschickt und befohlen, nicht lebend zurückzukehren. Und er hatte gehorcht, wie immer. Sie würde wohl niemals erfahren, was genau danach geschehen war. Ollowain gab es nicht mehr. Der Bote, der ihren Befehl widerrufen sollte, hatte ihn nicht mehr erreicht. Niemand würde je wieder Ollowain erreichen, dachte sie bitter. »Nandalee.«
    Es dauerte zwei Herzschläge, bis Emerelle begriff, dass sie gemeint war. »Ich denke, die sind unseretwegen hier«, sagte Falrach leise.
    Die Königin folgte seinem Blick. Drei Trolle und eine ganze Schar Kobolde mit roten Mützen kam die Straße entlang auf sie zu. Ihr Anführer, ein Kerl in hohen Schaftstiefeln, deutete mit seinem Säbel, der kaum so groß wie ein Brotmesser war, in ihre Richtung. »Nehmt die Feinde des Volkes fest.«
    Die Trolle gehorchten dem Befehl, doch die Kobolde, die mit Spießen und Heugabeln mehr schlecht
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