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Die Eisbärin (German Edition)

Die Eisbärin (German Edition)

Titel: Die Eisbärin (German Edition)
Autoren: Matthias Gereon
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Kohlmeyer, Ihr Besuch ist da.“
    Die Stimme von Freddy, einem der Schließer, riss ihn aus seinen Gedanken und beendete die quälende Warterei.
    Die Zellentür wurde geöffnet, und Jürgen Kohlmeyer folgte dem Mann über die langen, wohlvertrauten Gänge. Dass er dies in bürgerlicher Kleidung und ohne Handfesseln tun konnte, war eines der Zugeständnisse, die er erhalten hatte, als er nach einigen Jahren Haft in diesen Trakt der JVA umgezogen war.
    Endlich gelangten sie zu dem kleinen Besucherraum, wo er mit seinem Anwalt allein sein konnte. Durch das Fenster in der Stahltür konnte er vorab einen flüchtigen Blick auf die dicke Gestalt des Mannes werfen, der stets einen hektischen und gestressten Eindruck machte. Auch jetzt wühlten seine Finger in der aufgeklappten Aktentasche. Freddy klopfte kurz an und öffnete. Kohlmeyer trat ein und hörte, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Er wusste, dass der Wärter sie die ganze Zeit über im Auge behalten würde.
    Lothar Nienhaus stand auf und schüttelte seinem Mandanten die Hand.
    „Schön, Sie zu sehen, Herr Kohlmeyer, wie geht es Ihnen?“, begann er das Gespräch, höflich wie immer.
    „Ich muss zugeben, ich hab schon deutlich besser geschlafen hier im Garten Eden.“ Kohlmeyer machte aus seinem Misstrauen keinen Hehl. „Ich frage mich, was so schrecklich wichtig ist, dass du alles stehen und liegen lässt, um hierherzukommen. Wenn ich sonst deine Hilfe brauche, dauert es Wochen, bis du aufkreuzt.“
    „Herr Kohlmeyer, ich habe Neuigkeiten, die Sie sehr interessieren dürften. Ich weiß, dass es unter Umständen nicht leicht …“
    „Verdammt noch mal, jetzt spuck’s einfach aus!“ Kohlmeyer hatte die Geheimnistuerei satt.
    „Na schön“, sagte Nienhaus und nestelte an seiner Brille herum, „wie Sie wollen. Es gibt deutliche Anzeichen, dass … nun ja … ich meine, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte sich jüngst mit einer Klage zu beschäftigen, die Ihrem Fall, wie soll ich sagen, durchaus recht ähnlich …“
    „Herrgott noch mal, jetzt reicht’s!“
    Jürgen Kohlmeyer war aufgesprungen und funkelte seinen Anwalt böse an. Erschrocken wich dieser einen Schritt zurück, hob abwehrend die Hände und sprach den Grund seines Kommens unverblümt aus:
    „Sie kommen frei. Nicht heute, aber Sie kommen frei.“
    Kohlmeyer sank zurück auf seinen Stuhl und betrachtete aufmerksam das rundliche Gesicht seines Anwalts, auf dessen Stirn nun Schweißperlen standen.
    „Lothar, jetzt hörst du mir mal zu“, sagte er betont langsam, und Zorn sprühte aus seinen Augen. „Wir kennen uns schon verdammt lange, und ich kann dich ganz gut leiden, aber wenn du mich verarschen willst, wenn das hier ein schlechter Witz sein soll … Ich werde schneller an deiner verdammten Gurgel sein, als der gute alte Freddy auch nur die Klinke runterdrücken kann.“
    „Nein, Sie verstehen mich falsch.“
    Mit diesen Worten kramte Lothar Nienhaus wieder in seiner Aktentasche und hielt seinem Mandanten mit zittrigen Fingern die aktuelle Ausgabe der Aachener Rundschau entgegen.
    „Hier, das ist für Sie.“
    Mit einem verächtlichen Schnauben lehnte Kohlmeyer ab. „Erklär’s mir lieber, aber tu es nicht in deiner aufgeblasenen Anwaltssprache, in Ordnung?“
    Wie immer eingeschüchtert von der schroffen Art seines Mandanten, versuchte der Anwalt zunächst, Sicherheit zu gewinnen, indem er eine kleine Zusammenfassung gab.
    „Herr Kohlmeyer, Sie sind aufgrund der durch Sie begangenen Straftaten und der anschließenden Beweisführung im Jahre 1981 vom Landgericht Essen verurteilt worden. Das Urteil lautete auf lebenslängliche Freiheitsstrafe. Das war jedoch leider nicht alles. Das Gericht stellte die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete die anschließende Sicherungsverwahrung an.“
    „Ja, ich war dabei, Lothar. Wann wird es endlich interessant?“
    „Warten Sie ab, der spannende Teil kommt noch. Mit Ablauf Ihrer fünfzehnjährigen Gefängnisstrafe, anno 1996, wurden Sie in einen anderen Gebäudetrakt hier in der JVA verlegt. In dieser Abteilung verbringen Sie seitdem Ihre Zeit in der Sicherungsverwahrung. Wie Sie wissen, war die gesetzliche Höchstfrist für die Verwahrung zunächst auf zehn Jahre beschränkt. Spätestens im Jahre 2006 hätten Sie also auf freien Fuß kommen müssen.“
    „Ja, nur leider haben diese Drecksäcke …“
    „Ganz recht“, unterbrach ihn Nienhaus, „leider hat im Jahre 1998 die damalige Bundesregierung ein Gesetz
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