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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten
Autoren: S Booth
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bereits bis an die Grenzen ihrer Kapazitäten belasteten Kripomannschaften, die sich mit Serienmorden, anderen Gewaltverbrechen, Drogenproblemen, Einbrüchen und Autodiebstählen herumschlagen mussten?
    Fry war selbst in dieser Situation gewesen. Sie hatte in einem der Büros der Kriminalpolizei gesessen und gearbeitet. Wahrscheinlich hatte der Beamte sein Bestes gegeben. Aber gegen Ende seines Berichts, als er zu dem Schluss kam, alle Fakten würden darauf hindeuten, dass Emma Renshaw – wie vermutet – die West Midlands verlassen hätte, sprang ihr aus diesen Seiten beinahe ein Gefühl der Erleichterung entgegen. Der Beamte hatte das Problem einfach nach Derbyshire zurückverwiesen.
    Fry schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, ob sie es aus Ratlosigkeit tat oder ob sie versuchte, das unangenehme Gefühl loszuwerden, das sich ihrer bemächtigt hatte, seit sie den Beutel mit dem Beweismaterial in der Hand hielt.
    »Wissen Sie, das ist mir alles ein bisschen zu vage, Sir«, sagte sie. »Mir kommt es so vor, als hätte keiner von Emma Renshaws Mitbewohnern genügend Interesse an ihr gehabt, um sich zu vergewissern, dass sie tatsächlich sicher allein zum Bahnhof
kommt. Sie denken , dass sie ein Taxi nehmen wird, aber sie wissen weder wann, noch wo, noch wie oder welche Taxigesellschaft sie abholen kommt. Und keiner hat sie mit eigenen Augen das Haus verlassen sehen.«
    Hitchens zuckte die Schultern. »Tja, so ist es nun mal, Diane. Sie wissen doch, dass so etwas andauernd passiert. Die Leute verschwinden einfach in irgendwelchen schwarzen Löchern.«
    Sie nickte. Hitchens hatte natürlich Recht. Landauf, landab verschwanden permanent Teenager und wurden nie mehr gesehen. Aber Emma Renshaw war das letzte Mal in Bearwood gesehen worden, im Black Country, keine Meile von dem Zuhause ihrer Kindheit entfernt. Das machte einen Unterschied.
    »Und wir müssen auch noch eine andere Möglichkeit in Betracht ziehen …«, fügte Hitchens hinzu.
    »Sir?«
    »Die Möglichkeit, dass Emma Renshaw vielleicht alle angelogen hat – ihre Eltern, ihre Freunde und ihre Mitbewohner. Sie hatte vielleicht überhaupt nicht die Absicht, nach Hause zu fahren.«
    »Natürlich.«
    Fry warf einen Blick auf den Zugfahrplan, der dem Bericht beigefügt war. Emma hätte an diesem Donnerstagmorgen, am zwölften April, wenige Minuten vor elf Uhr vom Bahnhof Birmingham New Street aus den Zug nehmen müssen. Virgin Trains hätte sie nach Manchester Piccadilly gebracht, wo sie eine Viertelstunde Zeit zum Wechseln des Bahnsteigs und zum Umsteigen in einen Nahverkehrszug gehabt hätte. Um zwanzig nach eins hätte sie am Bahnhof von Glossop eintreffen sollen, wo ihre Eltern Howard und Sarah Renshaw auf sie gewartet hatten. Aber Emma war nicht aus dem Zug gestiegen. Die Renshaws hatten versucht, sie auf ihrem Handy anzurufen, hatten aber nur die Mailbox erreicht. So hatten sie auf den nächsten Zug aus Manchester gewartet. Und dann wieder auf den nächsten.
    Der zeitliche Ablauf löste in Fry ein Gefühl der Verzweif
lung aus. Kein Wunder, dass der Beamte der Polizei von West Midlands froh gewesen war, den Fall vom Schreibtisch zu haben. Wenn Emma das Haus in der Darlaston Road wie geplant verlassen hatte, gab es zwei Möglichkeiten. Entweder war sie bereits in Birmingham verschwunden und hatte den Zug nie erreicht, oder sie hatte sich beim Umsteigen in Manchester in Luft aufgelöst.
    Fry betrachtete die Namen von zwei der größten urbanen Konglomerate Großbritanniens, zwei Städte, in denen ein Mädchen von neunzehn Jahren mit Leichtigkeit untertauchen konnte. Die junge Frau wechselte einfach ihre Identität, und ihre Familie sah sie nie mehr wieder, wenn sie es nicht wollte. Fry wusste darüber nur allzu gut Bescheid.
    Andererseits hielt sie hier einen Beutel mit Beweismaterial in der Hand, in dem sich ein Motorola Talkabout mit einem hellblauen Inlay über den Tasten befand, ein Handy, das laut Auskunft von Vodafone Emma Renshaw gehört hatte. Ohne eine Gruppe Wanderer, die beschlossen hatten, dass es Zeit zum Frühjahrsputz war, wäre das Telefon womöglich für immer unentdeckt geblieben. Und wäre einer dieser Wanderfreunde nicht die Mutter eines Teenagers gewesen, dessen Mobiltelefon aus der Handtasche geklaut worden war, wäre es zusammen mit dem restlichen Abfall auf der Müllkippe der Gemeinde gelandet. Und wäre da nicht der Polizist in Chapel-en-le-Frith gewesen, der sich die Zeit genommen und die Mühe gemacht hatte, den Besitzer des Handys
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