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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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ist, wenn man einfach »nein« sagt. Einen solchen Krimi hatte ich noch nie gelesen, wie auch, denn wenn ein Detektiv »nein« gesagt hätte, wäre es auf der Stelle kein Krimi mehr gewesen, sondern – vielleicht Literatur.
    Während nun der Kaffee gekocht wurde und ich zwei Tassen, zwei Teller, zwei Messer, Butter und Marmelade auf den Tisch stellte, die Brötchentüte aufriss und in die Mitte legte, erzählte Sonja Weber. Sie tat es stockend, ihre Haare fielen ihr dabei pausenlos ins Gesicht, weil sich dieses wie der gesamte Körper bewegte. Sie war aufgewühlt, jedenfalls ein wenig.
    »Mein Bruder ist verschwunden«, begann sie. »Er heißt Georg Weber, ist 41 – also 7 Jahre älter als ich – « (aha, dachte ich, sie ist 34, muss man sich merken) – »und wohnt in der Lessingstraße, gleich hier um die Ecke. Vielleicht kennen Sie ihn vom Sehen.«
    Sie beschrieb ihn mir, einen normalgewichtigen 41jährigen kaufmännischen Angestellten ohne besondere Kennzeichen, und ich kannte ihn natürlich nicht vom Sehen. Er sei unverheiratet, fuhr Sonja Weber fort, aber nicht schwul oder so, einfach nur unverheiratet, ein Single wie viele. Ich stand auf, nahm den Kaffee von der Wärmeplatte, schenkte uns ein, wir frühstückten, Sonja schwieg, bis sie ihr Brötchen hergerichtet und aufgegessen hatte. Mit dem letz ten Krümel der Mahlzeit, dem letzten Schluck Kaffee nahm sie ihren Bericht wieder auf.
    »Ich kann nicht behaupten, mein Bruder und ich hätten jemals einen engen Kontakt gehabt. Wir sind einfach zu verschieden, wissen Sie?«
    Ich wusste selbstverständlich nicht und nickte.
    »Eigentlich lebe ich ja in« – Sie nannte den Namen einer Kleinstadt, der mir wenig sagte – »aber gewisse Umstände haben mich gezwungen, hierher zu ziehen. Es ist nun einmal so, dass...«
    Sie stockte. Schenkte sich Kaffee nach, sehnte sich wie ich nach einem zweiten Brötchen, dessen Verzehr sie wie eine gute Henkersmahlzeit bis zum nächsten Bekenntnis hinauszögern hätte können, aber die Brötchen waren alle. Sie sah mir in die Augen, schnaufte einmal tief und fragte dann:
    »Wie viel verlangen Sie eigentlich? Ich meine – Honorar.«
    Eine berechtigte Frage, fiel mir ein. Wie viel verlangte man? Schon die Frage allein ließ mich darauf schließen, bei Sonja Weber habe Geld nicht die Lizenz zur unbegrenzten Vermehrung. Ihre Kleidung war Kaufhauskonfektion, sie trug keinen Schmuck, kein Chanel-Odeur wehte zu mir hinüber und erotisierte mich, kurz:
    »300«, sagte ich und hoffte, Sie würde nicht fragen, ob denn pro Stunde, pro Tag, pro Monat oder pauschal.
    Sonja Weber fiel buchstäblich in sich zusammen, als hätte sie es schwer im Kreuz und an den Bandscheiben.

5
    Es ist nun einmal so: Ich kann keine Menschen mit Geldsorgen sehen, ohne sofort wütend zu werden, deshalb schaue ich morgens auch nicht in den Spiegel. Okay, um nicht wütend zu werden, dürfte ich das Haus niemals verlassen, keinen Fernseher, kein Radio einschalten, nicht im Internet surfen, nicht durch die dünne Wand zuhören, wenn in der Nebenwohnung wieder die Halbwüchsige quengelt, weil sie die Klamotten aus dem »Sozialkaufhaus« nicht anziehen mag. Nein, ich bin nicht gerne wütend, es bringt nämlich nichts. Was soll man tun? Den Sozialismus ausrufen? Vergiss es. Bomben basteln? Dazu fehlt mir das Talent. Beim nächsten Charity-Empfang aufgespritzte Tussen mit Silikonbeuteln bewerfen? – Hm, mal drüber nachdenken.
    Ich wurde also wütend, als Sonja Weber bei der Vorstellung an drei hinzublätternde Hunderter sekundenschnell zerwrackte, ihre Statik verlor und defor miert über der Kaffeetasse hing, so dass ich um deren Heil ernsthaft fürchten musste. Sollte ich behaupten, wir hätten ab Montag »Schnuppertage« in der Detektivbranche und ich gewähre ihr den für diese Zeit vorgesehenen Rabatt von, sagen wir, 20, nein 30, nein 50 Prozent kulanterweise im Voraus? Sie sah nicht so aus, als könnte sie auch nur 150 bezahlen. Also sagte ich in meiner unendlichen Menschenfreundlichkeit:
    »Das ist natürlich Erfolgshonorar. Wenn ich Ihren Bruder nicht finde respektive er von sich aus wieder auftaucht, berechne ich selbstverständlich nichts.«
    Das brachte sie, ebenfalls in Sekundenschnelle, wieder in den Zustand stolzen Frauentums zurück. Ihr Oberkörper richtete sich auf, straffte sich, die gute Nachricht ritzte ihr ein Lächeln ins Gesicht, sie sagte: »Oh danke, das kann ich doch nicht annehmen. Aber ich tue es.«
    Ich begann mir eine Zigarette zu
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