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Die Durchschnittsfalle (German Edition)

Die Durchschnittsfalle (German Edition)

Titel: Die Durchschnittsfalle (German Edition)
Autoren: Markus Hengstschläger
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für viele Thesen biologische Beispiele zur Erklärung und Untermauerung verwenden. Nicht etwa aus dem Grund, an den Sie jetzt gerade denken: „Der kennt ja eh keine anderen!“ Stimmt schon, aber … ich bin wirklich zutiefst davon überzeugt, dass Argumentationen aus der Biologie in der Tat die besten für das noch zu Sagende sind. Ich muss an dieser Stelle aber auch darauf hinweisen, dass ich die Beispiele natürlich sehr adaptieren werde, um damit noch klarer zu verdeutlichen, worauf es mir ankommt.
    Lassen Sie mich mit einem Beispiel beginnen, das ich selbstverständlich – und Sie werden das sofort erkennen – für meine Argumentation sogar massiv adaptiert habe. In Pfützen lebt ein ganz kleines vielarmiges Wesen namens Hydra. Die Süßwasserpolypen Hydra gehören zur Klasse der Hydrozoen (Hydrozoa), die wiederum zum Stamm der Nesseltiere (Cnidaria) zählen. Nehmen wir einmal an, in unserer Pfütze lebt eine einzige Hydra. Der Süßwasserpolyp schaut sich um, stellt fest, er ist da ganz allein, und es ist ausgesprochen fad. (Ich habe Ihnen ja gesagt, dass meine Beispiele so stark verfremdet sind, dass man sich zu Recht fragen kann, was das jetzt eigentlich noch wirklich mit Biologie zu tun hat – ein kleiner Polyp, dem fad ist?)
    Wenn der Hydra also richtig fad ist, und sie findet kein zweites Tier in ihrer Pfütze, dann kann sie etwas dagegen tun, was wir in keiner Weise und unter gar keinen Umständen tun könnten. Sie kann sagen, hier ist es fad so ganz allein, jetzt pflanze ich mich einfach fort. Alles ignorierend, was Ihnen gerade an Mühsal, Strapazen, ökonomischen Aufwendungen und üblicherweise notwendigen Überredenskünsten so einfällt, was normalerweise mit der Idee „Jetzt pflanze ich mich fort“ verbunden ist, fängt der Süßwasserpolyp einfach ganz allein an, sich fortzupflanzen. An ihm selbst noch anhaftend, beginnen kleine Ausstülpungen zu neuen Tieren heranzuwachsen. Nachdem sie eine bestimmte Größe erreicht haben, lösen sie sich vom Muttertier ab und leben als eigenständige Hydren weiter. Aus genetischer Sicht ist hier einmal grundsätzlich noch nichts dazugekommen oder verloren gegangen. Die neuen Tierchen sind genetisch identisch mit dem ersten Tier (Sie erinnern sich, dem fad war). Das Tier lebt quasi in vielen Teilen von sich selbst weiter. Es können theoretisch unzählige Hydren entstehen, die aber alle genetisch identisch sind (geklont – wenn auch das ein etwas anderer Prozess ist). Man nennt diese Art der Fortpflanzung ungeschlechtlich oder asexuell. Und, wie schon gesagt, wir können das nicht.
    Nehmen wir hypothetisch an, das Tierchen pflanzt sich asexuell weiter und weiter fort – das Ergebnis wäre doch eigentlich so schlecht nicht. Einerseits wäre das eine gegenwärtige Problem gelöst – jetzt sind viele Hydren in der Pfütze und es wäre nicht mehr fad. Und andererseits? Betrachten wir es einmal aus der Sicht einer Firma, die ein bestimmtes Produkt an den Mann bringen will. Der Markt (die Pfütze) ist leer und unerschlossen. Die Firma glaubt an ihr Produkt (auch die Hydra glaubt an sich – es hat ihr ja auch noch nie jemand gesagt, dass mit ihr irgendetwas nicht stimmen könnte – sie war schließlich bis vor Kurzem noch ganz allein in ihrer – unserer – Pfütze). Nun, wenn der Markt noch unerschlossen ist und ich glaube an mein Produkt, warum sollte ich mein Produkt dann nicht möglichst kopiengetreu, möglichst effizient reproduzieren? So lange und so oft, bis der Markt voll mit meinem Produkt ist. Das hätte schließlich auch noch die marktwirtschaftlich angenehme Tatsache zur Folge, dass mein Markt jetzt mit Millionen meiner Produkte so voll ist, dass gar kein anderes Produkt mehr in diesen Markt eindringen kann. Was kann es Besseres geben? Zugegeben, die Probleme der Gegenwart scheinen gelöst zu sein. Für die Zukunft ist solch ein System aber sehr schlecht gerüstet, vorausgesetzt es wären wirklich alle Nachkommen untereinander und auch mit dem Muttertier vollkommen identisch. Das Problem dieses Systems wäre die vollkommen fehlende Individualität! Ein derartiges System hätte ein paar Probleme der Gegenwart gelöst, wäre aber unglaublich anfällig unter neuen aus der Zukunft kommenden Bedingungen.
    Gesetzt den Fall, es käme aus der Zukunft ein Problem, das die Pfütze und ihre Bewohner so noch nie hatten. In der Tat ist die Hydra ein sehr sensibles Tier, was auch dazu geführt hat, dass sie als Indikator, als Anzeiger etwa für
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