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Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman

Titel: Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
Autoren: Anne Perry , K. Schatzhauser
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sein Boot so dicht an den Anleger, dass es leicht dagegenstieß. Sie entlohnte ihn mit vier Kupfermünzen, sah ihn flüchtig an, stand auf und setzte den Fuß an Land, woraufhin er Simonis beim Aussteigen half.
    Als Nächstes mussten sie jemanden für den Transport ihres Gepäcks finden und ein Gasthaus suchen, wo sie essen und unterkommen konnten, bis sie eine Möglichkeit hatte, ein Haus zu mieten und dort ihre Praxis einzurichten. In dieser Stadt würde ihr der gute Name des Vaters nicht weiterhelfen und sie anderen empfehlen wie in ihrer Heimatstadt Nikaia, der nur einen Tagesritt entfernt südöstlich auf der anderen Seite des Bosporus liegenden herrlichen alten Hauptstadt Bithyniens. Hier war sie auf sich allein gestellt, hatte zu ihrer Unterstützung lediglich ihre beiden Dienstboten Leo und Simonis, auf deren Treue sie sich allerdings in jeder Hinsicht verlassen konnte. Obwohl ihnen die lebenspraktischen Konsequenzen ihres verwegenen Plans bekannt waren, hatten sie sie freiwillig begleitet.
    Auf den abgetretenen Steinplatten des Anlegers bahnte sie sich ihren Weg zwischen Töpferwaren, Marmortafeln, exotischen Hölzern, Ballen, die Wolle, Rohseide oder Teppiche enthielten, sowie Stapeln von kleinen Säcken, denen die Aromen fremdländischer Gewürze entströmten. Sie vermischten sich mit dem scharfen Geruch von Fisch, Fellen, menschlichem Schweiß und Dung.
    Zweimal sah sie sich nach Leo und Simonis um. Sie war im Bewusstsein dessen aufgewachsen, dass Konstantinopel der Dreh – und Angelpunkt der Welt war, der Ort, an dem sich alle Wege zwischen Europa und Asien kreuzten, und
sie war stolz darauf gewesen. Jetzt fühlte sie sich von dem Gewirr fremder Sprachen überwältigt, die außer dem Griechisch der Byzantiner an ihr Ohr drangen.
    Ein Mann mit einem schweren Sack auf den Schultern stieß sie an, murmelte etwas und ging weiter. Schweiß lief ihm über den nackten Rücken. Ein mit Töpfen und Küchengerät aller Art behängter Kesselflicker lachte laut und spie auf den Boden. Ein Moslem, der in einen schwarzen Seidenkaftan gekleidet war und einen Turban auf dem Kopf trug, schritt stumm vorüber.
    Anna ging auf die andere Straßenseite, von Leo und Simonis dicht gefolgt. Dort ragten die Häuser teils vier, teils fünf Stockwerke hoch empor, und die Gassen zwischen ihnen waren schmaler, als sie angenommen hatte. Unangenehm stieg ihr der strenge Geruch nach Salz und abgestandenem Wein in die Nase. Der dort herrschende Lärm erschwerte es, sich verständlich zu machen. Sie schritt einen kleinen Hügel hinauf, fort vom Anleger.
    Zu beiden Seiten lagen Läden und darüber Wohnungen, wie an der aus den Fenstern hängenden Wäsche deutlich zu erkennen war. Schon hundert Schritte weiter war es ruhiger. Der Duft von frischem Brot aus einer Bäckerei, an der sie vorüberkamen, ließ sie mit einem Mal an ihr Zuhause denken.
    Es ging weiter nach oben. Der Kasten mit ihren medizinischen Gerätschaften war schwer, ihre Arme schmerzten. Für Leo musste es noch schlimmer sein, denn er schleppte die schweren Kisten, während Simonis einen Sack mit Kleidungsstücken trug.
    Sie blieb stehen und setzte ihre Last einen Augenblick ab. »Wir müssen für heute Nacht eine Unterkunft finden oder zumindest einen Ort, an dem wir unsere Habe
unterstellen können. Außerdem brauchen wir etwas zu essen. Seit dem Frühstück sind über fünf Stunden vergangen. «
    »Sechs«, sagte Simonis. »Ich hab im Leben noch nicht so viele Menschen gesehen.«
    »Soll ich dir das abnehmen?«, fragte Leo. Sein Gesicht zeigte, dass er müde war. Seine Last wog deutlich mehr als das, was Simonis oder Anna zu tragen hatten.
    Ohne darauf einzugehen, nahm Simonis ihren Sack wieder auf und begann erneut auszuschreiten.
    Ein Stück weiter stießen sie auf ein Gasthaus, in dem sie nicht nur zu essen bekamen, sondern auch ein Nachtlager. Frische Leintücher bedeckten die mit Gänsedaunen gefüllten Matratzen. Jeder Raum verfügte über ein großes Waschbecken und eine Latrine mit einem gemauerten Ablauf. Pro Person und Nacht verlangte der Wirt acht Kupfermünzen; die Mahlzeiten waren zusätzlich zu bezahlen. Zwar war das viel Geld, doch bezweifelte Anna, dass sie woanders etwas deutlich Billigeres finden würde.
    Sie wagte sich nicht recht auf die Straße, weil sie fürchtete, wieder etwas falsch zu machen, sich wie eine Frau zu verhalten oder auszudrücken oder falsch zu reagieren. Dann würde man auf sie aufmerksam werden und möglicherweise den Unterschied
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