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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
Autoren: Tad Williams
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tatsächlich für die beste Strategie gegen einen Ankläger wie Grasswax, der sein Blatt gern überreizt.
    »Ja, es ist schlicht«, bestätigte ich. »Weil das Problem ja auch ziemlich schlicht ist.« Ich zog ihn ein paar Schritte von der Verstorbenen weg. »Gibt ja nur zwei Möglichkeiten, verstehst du? Dahin oder dorthin – selbst das Fegefeuer ist ein Sieg für unsere Seite, weil man es von da irgendwann immer noch in den Himmel schaffen kann. Also läuft es jedes Mal darauf raus, dass einer gewinnt und einer verliert, und das passiert viele tausend Mal am Tag. Simple Verfahren sind die besten – und bei uns hat dieseshier ja schließlich funktioniert, oder? Du, ich, Sam – wir sind alle im Team Himmel gelandet. Und wenn diese Lady es verdient, dorthin zu kommen, dann kommt sie auch hin.«
    Natürlich war das gelogen. Es ist nicht annähernd so simpel, schon aus dem Grund, dass vieles, was allgemein als sündig gilt, in Wirklichkeit nur menschlich ist. Ich weiß nicht, wie es früher war, aber die Richter neigen nicht dazu, Leute wegen kleiner Übertretungen zu verdammen, sie scheinen sich mehr für die dahinterstehende Absicht zu interessieren, wenn sie auch bei den klassischen Sachen wie Mord, Ehebruch und so manchmal ganz schöne Prinzipienreiter sein können. Trotzdem: Woran sich einer festbeißen und was er durchgehen lassen wird, ist eine Grauzone, so groß wie der Himmel selbst, und man braucht Jahre, um zu lernen, wie man die Chancen einer Seele vor Gericht maximieren kann. Aber ich wusste ja nicht mal, warum der Junge hier war – ich würde garantiert nicht versuchen, ihm alles an einem Abend beizubringen.
    Howlingfell hatte unser Gespräch belauscht. Er lachte und fuhr sich mit einer langen, roten Zunge über die Lippen, wobei er jede Menge spitzer Zähne zeigte. »Warten Sie nur, Dollar – die Alte da hat Grasswax schon in der Tasche. Sie wird im dunklen Wind flattern, eh Sie sich’s versehen.«
    Der Junge zuckte zusammen, sah den Dämon aber immer noch nicht an. »Aber manche Sachen sind doch komplizierter, Bobby, oder? Und sie hat doch im Grund nichts Unrechtes getan …!«
    »Darüber hast nicht du zu befinden«, sagte ich und brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen. »Und, ehrlich gesagt, ich weiß auch nicht, ob ich dem Urteil von jemandem trauen würde, der keinerlei Gerichtserfahrung hat. Ich hatte mal einen Pfadfinder, der überfahren wurde, als er einem Mann im Rollstuhl über eine verkehrsreiche Straße half. Klarer Fall, oder? Passt ihm schon mal den Heiligenschein an! Nur dass er, wiesich herausstellte, im Alter von acht Jahren seinen kleinen Bruder mit einem Kissen erstickt hatte. Nett aussehender Junge. Jugendprediger in seiner Kirche. Unserem Wissen nach ohne speziellen Grund. Konnte seinen kleinen Bruder einfach nur nicht leiden.« Es war auch so ein verrückter, komplizierter Fall gewesen, der sich gar nicht leicht auf einen Nenner hatte bringen lassen, aber ich gedachte nicht, vor unseren Gegnern strategische Dinge auszuplaudern – wie gesagt, es gibt da eine große Grauzone, und man muss die Dinge auf die harte Tour lernen. Also zeigte ich nur auf die frischverstorbene Mrs. Martino. »Verlieb dich nie in einen Klienten, Junge.«
    »Verlieben …!« Er schien schockiert.
    »Du weißt schon, was ich meine. Mach es nie zu was Persönlichem.« Das war der wichtigste Rat, den ich zu geben hatte – ein Rat, der einem das Leben im Jenseits retten konnte.
    »Ehebruch«, verkündete Grasswax. »Wiederholt und nie gebeichtet. Jahrelang.«
    »Oh, Shit«, sagte Sam. Eigentlich formte er die Worte nur lautlos, aber ich konnte sie ihm von den Lippen ablesen.
    »Eine sehr schwere Sünde wider das Gesetz Mose«, fuhr Grasswax fort. »Und noch dazu ohne Reue. Ja, heute Abend vor dem Unfall hat sie sich noch mit ihrem Geliebten auf einen Drink getroffen, sie starb also … im Zustand der Sünde. Oder täusche ich mich?«
    Sam beriet sich hastig mit dem Schutzengel der Frau. »Mildernde Umstände!«, sagte Sam. »Ihr Mann hatte eine Geliebte.«
    »Oh, doppeltes Unrecht macht noch kein Recht, werter Sammariel.« Grasswax grinste. »Dies ist nicht das Gericht über ihren Mann. Und wie Sie wissen, steht sie vor einem Vertreter des Höchsten.« Er machte eine Armbewegung zu Xathanatrons gleißender Präsenz hin. »Und nicht vor den freundlichen Gastgebern der Kinder. Sie hat gesündigt und immerfort gesündigt. Erstder Tod hat dem ein Ende gesetzt.« Der Ankläger grinste noch breiter. Der
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