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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
Autoren: Tad Williams
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harten Momente. Sagen kann man nicht viel, während es ihnen dämmert, aber wenn nötig, kann man sie dort im Außerhalb in den Arm nehmen, und das tat ich jetzt. Hätten Sie auch getan.
    Nach einer Weile hatte sie das Schlimmste überstanden. Sie war eine taffe Lady – ich mochte sie. Sie machte sich von mir los, wischte sich die Augen und fragte dann: »Und wer sind Sie?« Sie musterte mich jetzt, als hätte ich irgendeinen jenseitigen Werbeschwindel vor.
    »Mein Name ist Doloriel. Ich bin ein Anwaltsengel vom Dritten Haus.« Clarence stellte ich ihr gar nicht erst vor, weil er sowieso nur etwas so Blödsinniges gesagt hätte wie dass alles gut würde. (An seinem enttäuschten Gesicht konnte ich ablesen, dass er genau das vorgehabt hatte.) Stattdessen zeigte ich zu Sam hinüber, der jetzt mit dem Schutzengel der Frau redete, einem hauchzarten, halbdurchsichtigen Ding, dessen Falten irrlichtartig phosphoreszierten. »Der da drüben ist Sammariel, auch ein Anwaltsengel. Er wird Ihr Verteidiger sein.«
    »Verteidiger? Warum? Wo?«
    »Vor dem Richter«, sagte ich. »Ganz bald schon.«
    »Richter …?« Die Augen plötzlich angstgeweitet.
    »Warten Sie hier, bitte.« Ich zog den Jungen beiseite, vergatterte ihn ziemlich barsch, was er tun und sagen durfte und was nicht, und ließ ihn dann bei der Frischverstorbenen zurück. Er und die Frau starrten auf den halb im Wasser hängenden Wagen, als wünschten sie, jemand würde heraushüpfen und eine Unterhaltung anleiern. Ich war froh, dass er den Mund hielt. Die Leute kommen schneller (und meiner Meinung nach auch besser) mit dieser schrecklichen, unwiderruflichen Tatsache zurecht, wenn man sie allein dran arbeiten lässt. Außerdem, was soll man schon sagen? »War nur ein Scherz, Sie sind gar nicht tot! Das ist alles nur ein Warnschuss, damit Sie Ihr Leben in Ordnung bringen!« Ist es aber nicht. Es ist das Ende, jedenfalls des Erdenlebens, und daran ändert auch munteres Gerede nichts.
    Als ich zu ihnen stieß, hatte der Schutzengel Sam gerade fertig gebrieft. »Briefen« ist hier nicht ganz so zu verstehen wie in der realen Welt: Die Schutzengel machen uns ihr Wissen zugänglich, und für den Rest des Verfahrens ist es einfach da , in unserem mentalen Aktenschrank, als ob es eigene Erinnerungen wären, die wir dort abgelegt hätten. Zum Glück aber nur bis nach dem Urteilsspruch – es wäre ja erdrückend, die Details des Lebens sämtlicher Personen, die man je verteidigt hat, für alle Zeit mit sich herumzuschleppen. Es ist manchmal schon schwer genug, mit dem klarzukommen, was trotzdem hängenbleibt.
    Jedenfalls hatte ich das Gefühl, dass mich der Schutzengel interessiert betrachtete – das ist schwer zu sagen, weil sie weit weniger menschenähnlich sind als wir und auch längst nicht so physisch. Natürlich benutzen sie keinen fleischlichen Körper, sonst würden sich die Leute ja fragen, warum da immer so eine quallenartig leuchtende menschliche Gestalt um sie herumschwebt. »Sie sind Doloriel«, sagte er. »Ich habe von Ihnen gehört.«
    »Ob das auf Gegenseitigkeit beruht, kann ich erst sagen, wenn ich Ihren Namen weiß.«
    »Iphäus.« Er sah mich leise flackernd an. »Hab gehört, Sie gehen anderen Leuten gern auf die Nerven.«
    »Dass ich es gern tue, ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen.«
    »Hört mal«, unterbrach uns Sam, »wenn ihr beide euch näher kennenlernen wollt, könnt ihr euch ja irgendwann zu einem romantischen Dinner verabreden. Jetzt gerade …«
    Den Schutzengel überlief so etwas wie ein Schauer, und sein Leuchten wurde schwächer. »Er ist da.«
    Etwas war soeben durch ein glühendes Portal vom Anderen Ort herübergekommen (ihr Äquivalent zum Reißverschluss ist weniger eine flimmernd weiße Linie als vielmehr eine flammend rote Wunde). Er wischte sich jetzt imaginäre Stäubchen vom makellos blutroten Anzug.
    »Grasswax«, sagte Sam. »Scheiße. Das gibt richtig Arbeit.«
    Ich hörte Mrs. Martino beim Anblick des Dämons leise aufschreien, und es tat mir leid, dass ich sie nur mit dem Jungen zurückgelassen hatte. Es ist ganz schön fies für einen Klienten, feststellen zu müssen, dass es die Hölle wirklich gibt. Ich hoffte nur, dass sie die Verhandlung durchstehen würde, ohne zusammenzubrechen – manche Richter sind in so einem Fall richtige Arschlöcher. Die Gnade mag ja vom Himmel träufeln wie ein sanfter Regen, aber manchmal könnte man schwören, dass Dürre herrscht.
    Sekunden nach dem Ankläger Grasswax trat eine zweite
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