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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe
Autoren: Helen Fitzgerald
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ermunterte sie mich.
    »Nein, danke«, sagte ich. »Ich sehe von hier aus, dass sie gut sind.«
    Alles, was sie tat, tat sie auf leicht missbilligende Weise, so als ob Waschen, Anziehen, Schlafen, Reden und Essen sie vom richtigen Leben abhalten würden.
    Und sie war erfahren. »Du musst den Pipistrahl mittendrin anhalten«, riet sie mir. »Dann leiert deine Muschi nicht aus.«
    »Wenn du dir Speed reinziehst, darfst du vorher nichts essen«, sagte sie. »Sonst wirkt es nicht.«
    »Antworte auf eine SMS nie mit einem direkten ›Ja‹«, sagte sie. »Schreib immer: Ich denk drüber nach.«
    »Halt immer eine Flasche Evian bereit, falls du bei einem Blowjob mal in die Situation kommst, es schlucken zu müssen.«
    Seit sie nicht mehr verlobt sei, sagte Fliss, lasse sie es richtig krachen.
    »Bis letzten April habe ich nur mit einem einzigen Typen geschlafen«, erzählte sie mir. Sie nahm eine große Colaflasche, randvoll mit Münzen aus aller Welt, und schüttelte sie. »Eine für jeden seitdem.«
    Ich hielt die Flasche in der Hand und nahm eine kleine Schätzung vor. Dabei machte ich mir eine Begabung zunutze, die ich während sieben aufeinanderfolgender Jahre in der Disziplin »Schätze, wie viele Pollywaffles in dem Glas sind« bei der Landwirtschaftsausstellung in Kilburn perfektioniert hatte. Ich schätzte, dass sich zweihundertfünfundzwanzig Münzen in der Flasche befanden (ich hatte den Wettbewerb zweimal hintereinander gewonnen, und jetzt mochte ich keine Pollywaffles mehr).
    »Mach’s nie ohne Kondom«, sagte sie, nahm mir die Flasche ab und warf einen wehmütigen Blick auf eine ganz bestimmte Münze darin.
    »Khagendra aus Pokhara … Er mochte Schokoladenkuchen.«
    Sie stellte die Flasche auf den Nachttisch.
    »Ich hatte noch nie Sex«, sagte ich.
    Sie starrte mich offenen Mundes an, ehe sie lautstark verkündete, dass sie jetzt aber SO WAS VON meine Mentorin sein werde. Richtigen Sexunterricht würde sie mir geben und mir alles beibringen – weil nämlich seit April letzten Jahres 98 Prozent der Männer in der Colaflasche sie zum besten Fick ihres Lebens erklärt hätten.
    »Was sollen sie sonst sagen?«, murmelte ich in einem unbedachten Augenblick.
    »Was?« Antworten hatte Fliss für ihre Schülerin nicht vorgesehen.
    »›Weißt du, Süße, in Wahrheit bist du nur die drittbeste Nummer, die ich geschoben habe.‹«
    Fliss zeigte auf sich und sagte: »Lehrerin.« Dann zeigte sie auf mich und sagte: »Schülerin.«
    »Ich halte den Mund?«
    »Du hältst den Mund!«
    Sie suchte im ganzen Zimmer nach Sachen, die mir passten und in denen ich gut aussah. Währenddessen ließ sie mir die erste offizielle Sexlektion der famosen Felicity James angedeihen. Sie drehte sich größtenteils um die Position der Augen während eines Blowjobs (öffnen, hochgucken).
    Etwas später lag ich in der Wanne und dachte gerade daran, wie Francescos Hand versehentlich über meinen Oberschenkel geglitten war (nur ein paar Zentimeter von Ihr-wisst-schon-wo entfernt), als Fliss reinkam. Sie wollte gleich zur Arbeit. Ich versuchte mich zu bedecken, so gut ich konnte, aber mit den geborgten Seifenresten hatte sich nur eine geringe und weit verstreute Zahl von Schaumbläschen erzeugen lassen, und einen Waschlappen besaß ich auch nicht.
    »Das Nachbarhaus hat wieder den Besitzer gewechselt. Morgen steigen wir ein.«
    Ich schwieg, weil ich befürchtete, dass sie sich umdrehen würde und meinen nackten Körper sähe. Im Schwimmbad von Kilburn hatte ich mich nur ungern öffentlich umgezogen. Ich hatte mir auch nie die Beine eingecremt wie Angela Ross mit ihrer großen Pelzmuschi. Ich war diejenige, die sich, ein Handtuch unters Kinn geklemmt, ungelenk aus ihren Klamotten pellte und dabei verzweifelt versuchte, ihre Würde zu bewahren. Rückblickend betrachtet, hatte meine größte Sorge wohl darin bestanden, dass ich mich selbst sähe.
    »Ray hat Schlosser gelernt.«
    Ich war so leise wie möglich aus der Wanne gestiegen und hatte das Handtuch mit meinen ausgestreckten Fingerspitzen fast schon erreicht, als sie sich zu mir umdrehte.
    »Willst du ein Zimmer?«
    »Was?«
    »In dem besetzten Haus?« Sie gab mir das Handtuch. Im Hinausgehen warf sie einen raschen Blick auf mich und sagte: »Ach, Schätzchen … Wenn du es jemals tun willst, dann musst du dich in deinem Körper wohler fühlen – der übrigens fantastisch aussieht.«
    ***
    Hamish lieh mir bis zum nächsten Zahltag etwas Geld, und so flitzte ich ins Slug and Lettuce. Fliss
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