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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe
Autoren: Helen Fitzgerald
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Schlösser auszuwechseln und so lange zu bleiben, bis das Verfahren abgeschlossen war – und das konnte Wochen dauern.
    Dies war nicht einfach irgendein besetztes Haus. Es war wunderschön und riesengroß. Wir empfanden keinerlei Schuldgefühle gegenüber dem bankrotten Eigentümer, und wir erwarteten auch keinen Krach mit der Bank, die sich bislang nicht einmal die Mühe gemacht hatte, dieses Schmuckstück zum Verkauf anzubieten.
    Ich schaute hoch und sah, dass eine Kuppel aus Buntglas das oberste Stockwerk krönte. Es war umwerfend.
    Wir öffneten die Eingangstür und ließen Ray herein. Das war der Schlosser aus Jo’burg, der den Einbruch ausgeheckt hatte. Er hatte unauffällig auf der Eingangstreppe des Royal gestanden und auf uns gewartet. »Eine an jedes Ende der Straße«, befahl er. »Wenn jemand kommt, der verdächtig aussieht, pfeifen!«
    Wir gingen an entgegengesetzte Enden der Straße und taten wie geheißen. Aber abgesehen von ein paar unverdächtigen Rucksackreisenden kam niemand vorbei. Außerdem wirkte Ray beim Austausch der Türschlösser so gelassen, dass niemand auch nur mit der Wimper gezuckt hätte.
    Eine halbe Stunde später pfiff er. Fliss und ich rannten aufeinander zu und stürmten ins Haus. Wir kreischten und fielen uns in die Arme: Jetzt hatten wir ein riesiges, wunderschönes Haus ganz für uns allein. Und es kostete uns keinen Penny.
    ***
    Nachdem Ray auch das Schloss des Hintereingangs ausgetauscht und uns die Schlüssel überreicht hatte, suchten wir Zimmer für uns aus. Ich nahm eins im Erdgeschoss, mit Blick auf den Garten. Es war groß und sonnig, und man hatte eine nette Aussicht auf das kleine Rasenstück hinter dem Haus. Außerdem lag es gleich neben einem Badezimmer. Fliss wählte den größten Raum im ersten Stockwerk, mit Blick auf die Straße, und Ray entschied sich für ein Zimmer im zweiten Stock.
    Wir verbrachten Stunden damit, die Müllcontainer der umliegenden Hotels abzusuchen, und schließlich hatten wir ein altes Sofa, eine ausgemusterte Matratze, einen Tisch, fünf Stühle, einen kleinen Fernseher und eine Mikrowelle beisammen. Alle außer mir besaßen Schlafsäcke, und ich borgte mir einen von Hamish. Wir bastelten einen Couchtisch aus Brettern und Backsteinen, und ehe wir richtig wussten, wie uns geschah, hatten wir Betten, ein Esszimmer, ein Wohnzimmer und ein Haus, das zum Treffpunkt aller in Bayswater lebenden Expatriierten wurde.
    Ich betrank mich heftig mit Cider. Dabei wirbelte ich im Kreis herum und sang zu den Violent Femmes, die aus dem iPod irgendeines anderen Mädchens ertönten. Trotz meines wilden Kreiselns ergab alles einen Sinn, vor allem die Musik. Nette, nette Leute. Nette, nette Hausbesetzung. Und diese Apfel-Limo war auch sehr gut.
    Ich tauschte die Klamotten mit Hamish, meinem Computermann, und war überrascht, dass ich in seiner Jeans-und-T-Shirt-Kombination fast genau so aussah wie in meiner eigenen.
    Dann ging ich nach nebenan, ins Royal. Francesco ignorierte mich. Er war mit der Buchhaltung beschäftigt und weigerte sich, die Tür zu öffnen. Also klingelte ich so lange Sturm, bis ein vom Jetlag geplagter Neuankömmling die Treppe herabstolperte und mir die Tür öffnete. Dann stand ich an der Rezeption und machte einen Schmollmund, in der Hoffnung, damit Francescos Herz zu erweichen.
    »Du bist total egoistisch«, sagte er. Sein Schreibtisch war mit Papieren übersät. »Ich mag dich nicht mal anschauen.«
    Das mit dem Schmollmund hatte nicht funktioniert. Keine große Überraschung, schließlich hatte ich entgegen meinem Versprechen an der Hausbesetzung teilgenommen. Außerdem hatte ich seinen Job gefährdet, weil wir über das Dach des Hostels ins Haus eingebrochen waren.
    »Es tut mir leid«, sagte ich, schlagartig nüchtern.
    Da er mich ignorierte, ging ich zum Nachdenken hinaus. Einige Minuten später klingelte ich erneut. Der erwähnte Neuankömmling – dem Akzent nach aus Südafrika – kam die Treppe runter, machte die Tür auf und sagte: »Hör mit der scheiß Klingelei auf.«
    Ich teilte Francesco mit, dass ich kein abschreckendes Maß an Zuneigung erkennen lassen wolle.
    »Ich bin nicht bedürftig, wirklich nicht«, sagte ich. »Ich find dich bloß total toll.«
    Er verscheuchte mich mit einem kurzen Kopfschütteln, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen.
    Widerstrebend ging ich hinaus. Verdammt, ich war ja total bedürftig. Auf diese Weise würde ich bei Fliss nie die Bestnote kriegen.
    Ich überlegte, ob ich eine Weile
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