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Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Titel: Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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hinter dem Zeughaus wurde er
heftig gegen den fülligen Po einer dauergewellten, blondierten Endvierzigerin,
Typ Avon-Beraterin, gepresst. Als sie den Kopf drehte, hob er bedauernd die
Brauen und mimte routiniert den leicht Verlegenen. Sie lachte aus einem
unglaublich breiten, tiefrot angemalten Mund und setzte zu einer Erwiderung an,
die sofort vom furiosen Intro der »Grupo Samba Total« verschluckt wurde, die
wenige Schritte weiter eine spontane Session am Salzmarkt eröffnete.
    Mit einem schnellen Sidestep
nutzte Charly eine winzige Lücke und huschte über die Schwelle der »KostBar«.
Er atmete tief durch, als er in das spärlich besetzte Lokal trat. Statt lauter,
harter Samba-Rhythmen plötzlich Weichspülersound von Santana:
    »Oye como va, mi vida, oye
como va …«
    Drei gelangweilte Muttis rund um
einen Stehtisch; brave C&A -Blusen,
eng gewordene Jeanshosen. Betont achtlos blickten sie sofort wieder an ihm
vorbei, bliesen hingebungsvoll ihren Zigarettenrauch Richtung Zimmerdecke.
    Am Tresen, direkt unter dem
lautlos rotierenden Deckenventilator, ein südländischer Jungmacho, das
pechschwarze Haar mit Gel gebändigt und zum Zopf gebunden. Leise, aber
sichtlich erregt diskutierte er mit einem kleinen, untersetzten Bodybuildertyp: Ungesunde Blässe, breite Boxernase und hellgraues Muskelshirt mit schwarzem
Puma-Aufdruck. Hohe Wangenknochen und auffallend schmale Augen, registrierte
Charly. Typisch russisch.
    »Hey, Charly, altes Haus!«
    Bernhard Winter stand vor ihm,
grinste übers ganze Gesicht.
    »Servus, Bernie! Ewig nicht mehr
gesehen!« Erfreut boxte ihn Charly auf den Oberarm.
    Winter, ehemaliger
Kriminaloberkommissar, war jahrelang im K 1 auf demselben Flur wie Charly tätig gewesen. Vor vier Jahren hatte er
dann, mit einundvierzig, überraschend den Dienst quittiert. Im Kollegenkreis
war damals gemunkelt worden, Winter, dessen gute Kontakte ins Coburger
Rotlichtmilieu schon sprichwörtlich waren, sei damit nur einem drohenden
Disziplinarverfahren zuvorgekommen. Bei seinem »Ausstand«, einer legendären Party
im »Hotel Festungshof« an der Veste Coburg mit einhundertfünfzig Gästen,
Go-go-Girls und der Saragossa Band, hatte er sich öffentlich über »eine größere
Erbschaft« seiner Frau gefreut: Sie ermögliche es ihm, künftig auf eigenen
Füßen zu stehen. In den letzten vier Jahren hatte Winter dann den größten
privaten Sicherheitsdienst der Region Coburg, »Se CO rity«, aufgebaut.
    »Wie geht’s, Alter? Laufen die
Geschäfte?«
    »Bestens, Junge, bestens!«,
strahlte Winter. »Je mehr Polizisten München bei uns streicht, umso besser für
uns Private!« Schneeweiße Jacketkronen, zerknitterte Turbobräune, frisch
blondierte Strähnen.
    »Du siehst langsam wirklich wie
der Vater von Dieter Bohlen aus«, frotzelte Charly.
    »Pass auf, wenn ich dich hier
vorsingen lasse!«, konterte Winter in gespielter Entrüstung.
    »Oye como va« , stimmte Charly ungeniert an, »mi ritmo, oye
como va!«, fiel Winter sofort
lauthals ein.
    Indignierte Blicke aus der
Damenecke.
    »He, ihr Spaßbremsen da drüben!
Kommt doch mal rüber!«
    »Lass mal lieber«,
beschwichtigte ihn Charly, »die sehen aus wie Elternbeiräte an der Grundschule,
die brauchen noch zwei, drei Jahre, bis sie wieder richtig locker sind! Komm,
wir gehen lieber mal rauf zum Schlossplatz!«
    »Aye, aye, Sir!« Winter fingerte ein paar Münzen aus der Tasche
und knallte sie auf den Tresen. »Hasta la vista, señoritas!«
    Sie traten hinaus auf die
abendschwüle Theatergasse, drängten sich an dem kleinen Caipirinha-Ausschank
vorbei und ließen sich über den Salzmarkt treiben, wo die spontane
Samba-Session ihrem atemlosen Höhepunkt entgegenjagte.
    »Ey, nicht so hüftsteif, Alter!«
    Ein gertenschlankes Girl mit
endlos langen schwarzen Haaren, im orangefarbenen »Coburg SambaCity!«-Shirt und
knallbunter Hippiehose, versperrte Charly tänzelnd den Weg. Ihre Pupillen waren
merkwürdig groß und starr, in der Linken schwenkte sie eine halb leere
Alcopopflasche.
    »Wahnsinn, Lady!« Winter
zwinkerte ihr verschmitzt von der Seite zu. »Du siehst ja aus wie Cher 1965!«
    »Und sie ist voll wie Janis
Joplin 1967«, unterbrach ihn Charly
und zog ihn weiter. »Das war doch noch nie unsere Kragenweite, oder?«
    Winter schüttelte amüsiert den
Kopf und wandte sich bereitwillig neuen Zielen zu. »Mensch, schau dir das da
drüben vor der Bühne an! Ausgelassene Lebensfreude, in unserem ehrbar-seriösen
Coburg, bei steifen Residenzlern! Ich
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