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Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)

Titel: Die dunkle Seite des Sommers (German Edition)
Autoren: Stefanie Mohr
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näher kam. Gleich würde das Thema »Viertagebart« hochkochen.
Lässig spielte er seinen letzten Trumpf aus: »Die war fei auch Bedienung –
genau wie du!«
    Ärgerlich riss sie sich los und
stapfte zurück in die Wohnung.
    Charly unterdrückte ein kurzes,
heftiges Gähnen.
    Noch drei Stunden bis zur
Samba-Eröffnung.

18:10 Uhr / Bamberg
    Der korpulente kleine
Tankstellenkassierer ereiferte sich. In seinen grünen Overall gezwängt wie ein
Presssack in die Pelle, trommelte er mit kurzen, dicken Wurstfingern ein
Stakkato auf den wackligen weißen Bistrotisch. Schwitzend redete er auf sein
Gegenüber ein, einen hageren, unrasierten Endfünfziger, dem die Beck’s-Dose in
der Hand klebte.
    »Und das Schönste ist ja, da
stellt sich die Polizei hin und erklärt öffentlich, öf – fent – lich!, dass sie
sowieso für nix garantieren kann, solange der Typ nicht hinter Schloss und
Riegel ist; gerade Frauen und Mädchen müssten halt jetzt besonders aufpassen!
Besonders aufpassen! Meister! Heute Abend geht in Coburg Samba los, ich hab
vier Töchter zwischen zwölf und zwanzig, die alle da hinwollen, soll ich die
jetzt vielleicht das ganze Wochenende in den Keller sperren?«
    Neugierig drehte ein
Tankstellenkunde den Kopf, stellte den Playboy wieder ins Regal und kam
erwartungsvoll näher. Geschickt nutzte er die kurze Atempause vor dem nächsten
drohenden Wortschwall.
    »Gibt’s wohl was Neues von dem
Mord in Erlangen?«
    »Was Neues?« Verblüfft wandte
sich der Kassierer dem Neuankömmling zu. »Von wegen, des is es ja! Da läuft so
ein Geisteskranker frei herum, und die haben immer noch keine Spur von ihm!«
    Zwei Schweißperlen rannen ihm
über die puterrote Wange und den mächtigen Hals, versickerten in seinem
schmuddelig-beigefarbenen Polokragen.
    Ein schlecht unterdrücktes
Aufstoßen des Beck’s-Dosen-Halters. »Ist bestimmt wieder so ein Perverser, den
sie vorzeitig entlassen haben.«
    Nachdenklich nickte der
Playboy-Leser. »Schätze auch, dass da eine Zeitbombe tickt. Die meisten haben
das noch gar nicht realisiert; der schlägt bestimmt wieder zu.«
    Geistesabwesend nestelte er in
seiner Hosentasche herum.
    »I just
wannafeeeeeeelreealloooove«, schmachtete
Robbie Williams aus dem Deckenlautsprecher.
    Der Tankwart war in seinem
Element. »So einer schlägt freilich wieder zu! Und wenn sie ihn endlich haben,
dann findet er schon den richtigen Gutachter: Kriegt lebenslänglich und ist
nach zwölf Jahren wieder draußen; hört mir doch auf!«
    Ärgerlich winkte er ab und
walzte wieder hinter seine Kasse.
    »Also bitte, Chef!« Der
Playboy-Leser, der offenbar einen sehr kleinen Gegenstand in seiner Hosentasche
suchte, schien brennend interessiert. »Das kann sich doch heutzutage kein
Gutachter mehr leisten! Der Typ hat die Bedienung bei der Berch-Kerwa richtig
abgeschlachtet! Die BILD -Zeitung
sagt, er hat ihr sogar noch einen Ohrring herausgeschlitzt und mitgenommen. So
einer ist brutal, eiskalt, hochintelligent – so einen darfst du doch nie wieder
rauslassen!«
    »Freilich, Meister! Genauso
isses! Du warst an der Fünf? Vierundsiebzig einunddreißig … Geheimzahl und
bestätigen … Den darfst du freilich nimmer rauslassen, der ist eine Gefahr für
die Menschheit …«
    »Die Drecksau gehört gleich
einen Kopf kürzer gemacht!« Beck’s – impulsiv, prägnant und schlicht.
    Der Playboy-Leser verstaute langsam und sorgfältig seine EC -Karte wieder. »Aber anscheinend ist er ja viel zu clever für unsere Polizei,
oder? Na ja, vielleicht läuft er dafür mal einem von uns vor die Motorhaube,
ich fahr jetzt auch nach Coburg hoch … also servus, schönen Abend noch!«
    Er grinste, als er sich in den
Fahrersitz fallen ließ. Endlich schien er in seiner Hosentasche gefunden zu
haben, wonach er die ganze Zeit gesucht hatte. Verstohlen musterte er auf der
Handfläche das Objekt seiner Begierde.
    Ein unscheinbares, kleines
Schmuckstück.
    Ein silberner Frauenohrring, bräunlich
verkrustet.

Samstag, 20:32 Uhr / Coburg
    Abendsonne tauchte die
Türme und Giebel Coburgs in tiefes Orangerot. Erwartungsfroh schoben sich
Menschenmassen über das Kopfsteinpflaster der Altstadt, magisch angezogen vom
dumpfen Hämmern der Samba-Trommeln auf dem Schlossplatz und dem Markt. In den
Engstellen der Theatergasse, der Herrngasse und der Großen Johannisgasse kam es
immer wieder zum Stillstand. Zentimeterweise drückte man sich aneinander
vorbei.
    Was für ein Paradies für
Frotteure und andere Kranke, dachte Charly. Direkt
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