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Die dunkle Armee

Titel: Die dunkle Armee
Autoren: James Barclay
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Ihr vielleicht am Leben. Folgt meinen Anweisungen.«
    Julius sah ihn neugierig an. »Demnach fürchtet Ihr Euch auch?«
    »Ich hatte noch nie so große Angst wie jetzt.«

 
35

    859. Zyklus Gottes,
    37. Tag des Genasauf
     
    S ie hatten abwechselnd den Fluss und gelegentlich auch die Zufahrt zur Burg beobachtet und ein paar Stunden unruhig geschlafen. Roberto hatte länger Wache gehalten als geschlafen. Die Erinnerungen an Adranis ließen ihn nicht los. Sein Bruder hatte ihm sehr nahe gestanden, und im Traum sah Roberto immer wieder sein Lächeln. Doch jedes Mal, wenn er das Lächeln erwidern wollte, fiel sein Blick auf den abgetrennten Kopf, der im Blut auf dem Boden lag.
    Auch Barias hatte unter Albträumen gelitten oder im Schlaf mit seinem Gewissen gerungen. Mehrmals hatte Roberto daran gedacht, ihn sich selbst zu überlassen und allein aufzubrechen, aber das wäre unklug gewesen. Wenn man nichts hatte, konnten zwei sich besser behelfen als einer allein. Sie besaßen weder Trinkwasser noch Nahrung und hatten nicht viel Hoffnung. Sie saßen hinter einer Invasionsarmee fest.
    Lange vor der Dämmerung und nachdem sie kein einziges Licht bemerkt hatten, liefen Roberto und Julius am Flussufer, gleich neben der steilen Böschung, zur Burg hinüber. Der dunkle, verfaulte Boden dämpfte ihre Schritte, als sie neben der Straße entlanghuschten und die Schatten der Burganlage nutzten, um das weit geöffnete hintere Haupttor zu erreichen.
    Die Nacht war voller Geräusche. Unter der Brücke schwappte das Wasser gegen die Pfeiler. Der Wind heulte in unzähligen Löchern, denen der Sturm das Holz, das Glas und die Fensterläden entrissen hatte. Kaum eine Tür saß noch im Rahmen. Seltsam, dass es hier nicht nach Tod und Verwesung stank. Roberto hatte recht klare Vorstellungen, was sich hier ereignet haben musste, doch auf den Steinplatten waren keinerlei Verwesungsspuren zu entdecken.
    Die Burg war offensichtlich verlassen, und auch das war seltsam. Eigentlich hätten Tsardonier hier sein müssen, um den Fluchtweg, die Onager der Festung am Tor jenseits der Brücke und vielleicht auch die Geschützplattform auf der Burg zu bewachen. Dieses Gebäude hätte sich leicht als Stützpunkt für den Nachschub einrichten lassen, doch nichts dergleichen war geschehen.
    Andererseits war Gorian kein Soldat, und allem Anschein nach lebten ja keine Soldaten mehr, die ihm verraten konnten, wie man eine Invasion plante. Eigentlich hätte Roberto diesen Gedanken tröstlich finden sollen, doch dem war nicht so. Wozu brauchte Gorian Nachschubwege, wenn Tote für ihn marschierten? Vielleicht konnten sie die Toten besiegen, wenn sie herausfanden, wie Gorian es anstellte, aber dazu hätte Roberto einen Aufgestiegenen gebraucht. Inzwischen musste er sich mit dem begnügen, was er hier vorfand.
    Roberto wollte hinein, aber Barias legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Seid Ihr sicher? Ihr habt ja nicht einmal den Gladius gezogen.«
    »Hier ist niemand mehr, Julius. Nur wir zwei am Schauplatz eines Massenmordes.«
    »Womöglich finden wir hier Essen und Trinken.«
    »Das denke ich auch. Kommt Ihr mit?«
    Barias nickte, und Roberto trat durch das große Tor. Der Appellplatz lag in tiefem Schatten. Roberto hielt sich links und tastete sich mit der Hand weiter, bis er eine Tür fand. Als seine Augen sich auf die Dunkelheit eingestellt hatten, konnte er einige Umrisse auf dem Boden erkennen. Keine Leichen – vielleicht Kleidung und Ausrüstung.
    Roberto tastete an der Tür nach dem Riegel. Diesen Raum hatten er und Adranis sich geteilt. Zu beiden Seiten waren Haken für Laternen in die Wand eingelassen, und wenn sie niemand weggenommen hatte, würde er auf einem kleinen Regal gleich hinter der Tür Feuerstein, Stahl und Zunder finden. Er lauschte, ob sich drinnen etwas regte, ehe er den Riegel zurückschob und die Tür nach innen aufstieß. Sie knarrte leise, und Roberto schauderte unwillkürlich. Drinnen war es dunkel. Der Raum roch bewohnt – nach Asche, Seife und Schweiß.
    Roberto streckte suchend die linke Hand aus, er wollte nicht ganz eintreten. Die Dunkelheit dort drinnen hatte etwas Bösartiges. Gorian war hier gewesen, hatte vielleicht hier geschlafen. Endlich fanden seine Finger auf einem kleinen Tablett, was er brauchte.
    »Gut«, sagte er.
    Dann stellte er das Tablett auf den Boden und suchte sich die nötigen Gerätschaften zusammen. Lächelnd erinnerte er sich, wie er in der Legion gelernt hatte, in völliger Dunkelheit ein Feuer zu
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