Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dritte Jungfrau

Die dritte Jungfrau

Titel: Die dritte Jungfrau
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
verdirbt die Justiz,
    und zum Diener wird dabei ein Chef der Miliz.
    Sie stürzt in den Abgrund, die schwache Republik,
    doch ihre Mörder, Verbrecher, feiern den Sieg.
    Ergebnis: Zwei Wochen Arrest.«
    »Wo haben Sie die gefunden?« fragte Veyrenc lächelnd.
    »Sie waren im Protokoll hinterlegt. Verse, die Sie heute von dem Mord am Dicken Georges freisprechen. Sie haben niemanden umgebracht, Veyrenc.«
    Der Lieutenant schloß kurz die Augen und ließ die Schultern sinken.
    »Sie haben mir noch nicht die zehn Centimes gegeben«, sagte Adamsberg und streckte die Hand aus. »Ich habe ziemlich geackert für Sie. Sie haben es mir nicht leicht gemacht.«
    Veyrenc legte eine kupferne Münze in Adamsbergs Hand.
    »Danke«, sagte Adamsberg und steckte das Geldstück in die Tasche. »Und wann lassen Sie von Camille ab?«
    Veyrenc wandte den Kopf zur Seite.
    »Gut«, sagte Adamsberg, lehnte sich gegen das Zugfenster und schlief gleich darauf ein.

67
    Danglard hatte Retancourts vorzeitige Rückkehr unter die Lebenden zum Anlaß genommen, um im Zeichen der dritten Jungfrau eine Pause anzuordnen, für die er verschiedene Reserven aus dem Keller heraufgeholt hatte. Von der allgemeinen Ausgelassenheit, die daraufhin einsetzte, blieb allein die Katze unberührt, ruhig lag sie auf Retancourts starkem Unterarm.
    Adamsberg, wie immer unfähig, sich kollektiver Fröhlichkeit hinzugeben, durchquerte langsam den Raum. Er nahm im Vorbeigehen das Glas, das Estalère ihm hinhielt, holte sein Mobiltelefon hervor und wählte Roberts Nummer. Im Café in Haroncourt durfte gerade die zweite Runde anstehen.
    »Es ist der Béarner«, sagte Robert zu den versammelten Männern und legte die Hand auf den Hörer. »Er sagt, er hätte seinen Bullenärger hinter sich und würde einen auf unser Wohl trinken.«
    Angelbert dachte gründlich über eine Antwort nach.
    »Sag ihm, es geht in Ordnung.«
    »Er sagt, er hätte in einer Wohnung zwei Knochen vom heiligen Hieronymus wiedergefunden, in einer Werkzeugkiste«, fügte Robert an und deckte wieder das Telefon ab. »Und daß er sie demnächst ins Reliquiengefäß von Le Mesnil zurücklegen wird. Weil er nicht weiß, was er sonst damit anfangen soll.«
    »Na, etwa wir«, sagte Oswald.
    »Er sagt, wir sollen trotzdem dem Pfarrer Bescheid sagen.«
    »Klingt logisch«, sagte Hilaire. »Nur weil Oswald nichts damit anfangen kann, muß es ja nicht auch dem Pfarrer schnurz sein. Der Pfarrer hat nämlich genauso seinen Pfarrersärger, oder nicht? Muß man ja auch verstehen.«
    »Sag ihm, es geht in Ordnung«, unterbrach Angelbert. »Wann kommt er?«
    »Samstag.«
    Robert kam ans Telefon zurück und übermittelte in geraffter Form die Antwort des Alten.
    »Er sagt, er hätte Kiesel aus seinem Fluß gefischt, die wird er uns auch mitbringen, wenn wir nichts dagegen haben.«
    »Und was soll’n wir damit?«
    »Ich glaube, diese Kiesel sind ungefähr dasselbe wie das Geweih vom Großen Roten. So was wie Ehren, eine Art Gegenleistung.«
    Unschlüssige Gesichter wandten sich zu Angelbert.
    »Wenn wir ablehnen«, sagte Angelbert, »wäre das eine Beleidigung.«
    »Natürlich«, unterstrich Achille.
    »Sag ihm, es geht in Ordnung.«
     
    Veyrenc stand an eine Wand gelehnt und sah zu, wie die Beamten der Brigade hin und her liefen; ihnen zugesellt hatten sich an diesem Abend auch Dr. Romain, der ebenfalls ins Leben zurückgekehrt war, und Dr. Lavoisier, der sich seinem Fall Retancourt buchstäblich an die Fersen heftete. Adamsberg bewegte sich langsam von einem Punkt zum anderen, war anwesend und wieder abwesend, anwesend, abwesend, wie das intermittierende Licht eines Leuchtturms. Die Hiebe, die er auf der Jagd nach Arianes Schatten hatte einstecken müssen, hinterließen noch einige düstere Spuren auf seinem Gesicht. Drei Stunden lang war er durchs Wasser des Gave gewatet und hatte Kiesel gesammelt, bevor er sich mit Veyrenc am Bahnhof wieder getroffen hatte.
    Der Kommissar zog ein zerknittertes Blatt aus seiner Gesäßtasche und rief Danglard mit einem Wink zu sich heran. Danglard kannte diese Körperhaltung und dieses Lächeln. Mißtrauisch ging er zu Adamsberg.
    »Veyrenc würde sagen, daß das Schicksal gern seltsame Späße treibt. Und Sie wissen auch, daß das Schicksal besonders auf Ironie spezialisiert ist und man es daran erkennt?«
    »Es sieht so aus, als ob Veyrenc abreist?«
    »Ja, er fährt in sein Gebirge zurück. Die Füße im Fluß und die Haare im Wind, wird er darüber nachdenken, ob er zu uns
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher