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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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kaufen, das heißt bezahlen müsse, kurz, er hätte, wenn es ohne Schande möglich gewesen wäre, angekreidet: soviel für die gute Luft und soviel für die Aussicht. Auch lebte er herrlich und in Freuden mit dem Geld andrer, wurde dick und rund wie ein Maltersack, wenn er voll ist, fett wie ein Schwein und ließ sich mit ›Herr‹ anreden. Nun war es bei der letzten Messe, da erschienen am Ort drei Gesellen, die bei einem Advokaten das Handwerk lernten und eher das Zeug zu drei Spitzbuben als zu einem einzigen Heiligen aufwiesen. Sie hatten schon so viel bei ihrem Advokaten profitiert, daß sie wußten, wie weit man gehen dürfe, ohne mit der Wehsaite der hohen Harfe, die man auch Galgen nennt, in Berührung zu kommen. Gut zu leben und sich lustig zu machen auf Kosten irgendeines Meßkrämers oder sonstiger harmloser Leute war die Beschäftigung, die sie sich vorgenommen hatten.

     
    Diese losen Vögel von Schülern, richtige Teufelsbraten, waren also ihrem Advokaten ausgerissen, bei dem sie in der guten Stadt Angers die Kunst studierten, aus krumm gerade und aus gerade krumm zu machen, und kamen zur großen Messe nach Tours, wo sie in der Herberge ›Zu den drei Karpfen‹ abstiegen, die großen Staatszimmer in Beschlag nahmen, alles zuunterst und zuoberst kehrten, sich als die Verwöhnten aufspielten, auf dem Markt die Lampreten zum voraus für sich aufkaufen ließen und sich als Großkaufleute ausgaben, die bekanntlich, wenn sie reisen, nicht nötig haben, sich mit Waren zu schleppen.
    Und der gute Wirt begann zu laufen, zu rennen, den Spieß in Bewegung zu setzen, vom Besten zu zapfen, kurz, ein wahres Advokatenessen für die drei Taugenichtse zuzubereiten, die schon für wenigstens hundert Taler Lärm gemacht hatten und die, wie man sie auch ausgequetscht hätte, nicht mehr von sich gegeben haben würden als zwölf Tourainer Kupferkreuzer, mit denen der eine unter ihnen in der Tasche klimperte.
    Aber wenn sie auch kein Geld hatten, fehlte es ihnen doch nicht an andern Hilfsmitteln, und die Rolle von Jahrmarktsdieben wußten sie vortrefflich zu spielen.
    Das war ein lustiges Handwerk, und zu essen und zu trinken gab es genug dabei; sie machten sich seit fünf Tagen mit solchem Geschick an die Marktvorräte heran, daß ein Fähnlein Landsknechte weniger verdorben hätte, als sie stibitzten. Jeden Morgen nach dem Frühstück, nach gutem Essen und Trinken, erschienen die drei Schnapphähne auf der Messe, und da war keine Bude, die sie nicht unsicher gemacht hätten. Sie mausten, grapsten, spielten, und dazwischen ergötzten sie sich mit kindischen Streichen, nahmen die Budenschilder ab, um sie auszuwechseln, machten das des Schusters an die Goldschmiedebude und das des Goldschmieds an die Seifensiederbude; sie warfen Staub und Schmutz auf die Waren, reizten und hetzten die Hunde, durchschnitten die Stränge der Pferde vor den Wagen, warfen unversehens eine Katze auf die Köpfe der Menge, schrien plötzlich: »Ein Dieb, haltet den Dieb!« oder fragten jedermann, der ihnen begegnete: »Seid Ihr nicht der Herr Arsch aus Angers?«

     
    Dann gaben sie den Leuten unversehens heimliche Rippenstöße, machten Löcher in die Kornsäcke, suchten ihr Nasentüchlein in den Taschen der Damen, hoben dabei deren Röcke auf, taten, als ob sie ein Juwel suchten, jammerten und sagten: »Ach, es wird sich in ein Loch verkrochen haben.« Sie lockten die Kinder von ihren Eltern weg, tollten umher bis in die tiefe Nacht hinein, belästigten jedermann und bepißten und beschissen, was ihnen nur zugänglich war.
    Kurz, der Teufel würde sich vernünftig und wohlerzogen ausgenommen haben neben diesen aus der Schule gelaufenen Strolchen, die sich lieber aufgehängt hätten, als eine ordentliche Handlung zu begehen, also daß es leichter gewesen wäre, von zwei aufeinander loshackenden Advokaten ein Almosen zu erhalten als von ihnen eine gute Tat.
    Wenn sie ihres Treibens einmal müde waren, verließen sie das Marktfeld und ließen sich in den ›Drei Karpfen‹ auftragen, was nur das Zeug hielt, Essen und Trinken, bis zur Vesperstunde; daraufkehrten sie mit Fackeln zurück, und nach den Marktleuten kamen die Dirnen und Freudenmädchen daran, denen sie übel mitspielten und denen sie nichts gaben, als was sie erhielten nach dem Axiom des Justinianus: Suum cuique ius tribuere, das heißt, man soll jedem in seiner Münze herausgeben oder, wie es andre übersetzen, Jux mit Jux bezahlen. Endlich beim Nachtmahl, wenn sie niemand hatten, um ihn
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