Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
Bette fand, wenn er kam, um ihn für die ländliche Lustpartie abzuholen. Der Fährmann war gut bezahlt, so wußte niemand um die Schliche des Priesters, der seine abendliche Reise in tiefer Dunkelheit, seine morgendliche aber am hohen hellen Tage machte.
    Nachdem Carandas diese Praktiken des Priesters und der Färberin ausspioniert hatte, wartete er nur einen Tag ab, wo das verliebte Paar wegen zufällig nötig gewordener längerer Fasten besonders hungrig aufeinander war. Ein solcher Tag ließ nicht lange auf sich warten, und der spionierende Carandas verfolgte im Hinterhalt die Vorbereitungen des Fährmanns, der unten am Tiefufer der Loire beim Sankt-Annen-Kanal den genannten Priester erwartete, als welcher ein hübscher junger Blondkopf und von schlanker, einnehmender Gestalt war wie des Meisters Ariosto so schön verherrlichter schüchterner Held. Nachdem der Mechanikus seiner Sache sicher sein durfte, machte er sich auf den Weg zum Gevatter Färber, der seine Frau mehr liebte wie je und sich nicht denken konnte, daß noch ein anderer außer ihm den Finger in ihr Weihwasserkesselchen tunken durfte.
    »Guten Abend, Gevatter!« rief Carandas, und Taschereau zog grüßend sein Käppchen.
    Und also bald beginnt der Mechanikus zu erzählen von den heimlichen Liebesfesten auf dem Weingut; er spart dabei nicht an Worten und verwundet den guten Färber, wo er nur kann, bis er ihn in der Verfassung sieht, seiner Frau und dem Pfaffen stante pede den Garaus zu machen.
    »Mein guter Nachbar«, sagt er da, »ich habe aus Flamland einen vergifteten Degen mitgebracht, der unverzüglich tötet, wenn er auch nur die Haut eines Menschen ritzt. Ihr braucht damit Eure Hure von Frau und ihren Beischläfer nur zu berühren, so wird es mit ihnen aus und vorbei sein ganz und gar.«
    »Kommt, holen wir uns das Instrument«, sprach der Färber. Und beide eilten unverweilt nach der Wohnung des Buckligen, nahmen den Degen an sich und machten sich auf den Weg nach dem Landhaus.
    »Werden wir sie auch im Bett finden?« fragte Taschereau.
    »Wenn Ihr es erwarten könnt«, antwortete höhnisch der Bucklige.
    Der Hahnrei hatte aber keine große Pein des Wartens. Die hübsche Färberin und ihr Geliebter waren bereits daran, in dem hübschen See, den ihr kennt, den Fisch zu fangen, der immer entschlüpft, worüber sie jedesmal lachten und wieder lachten.
    »Mein Liebling«, sagte das Täschelchen, indem sie den Priester an sich preßte, als ob sie einen Abdruck von ihm nehmen wollte, »oh, wie ich dich liebe! Ich möchte dich fressen. Noch besser, ich wollte, du stecktest in meiner Haut, um nie wieder herauszufahren.«
    »Da kann geholfen werden«, antwortete der Priester. »Nur ganz geht es nicht, du mußt dich schon mit einem Teil von mir begnügen.«
    In diesem Augenblick trat der Ehemann ein und schwang den nackten Degen. Die schöne Färberin, die sich auf das Gesicht ihres Mannes verstand, erkannte, daß es um den geliebten Priester geschehen sei. Aber plötzlich sprang sie auf, und halbnackt, mit fliegenden Haaren, schön vor Scham und noch schöner vor Liebe, fiel sie dem Wütenden in den Arm.
    »Halt ein, Unglücklicher!« rief sie; »willst du den Vater deiner Kinder töten?«
    Und der gute Färber, von dieser Anrufung der hochheiligen Majestät hahnreilicher Vaterschaft und vielleicht auch ein wenig von den flammenden Blicken seiner Frau ganz verdutzt, ließ seiner Hand den Degen entgleiten, der dem Buckligen, als welcher eben hinzutrat, auf den Fuß fiel und ihn tötete.
    Daraus können wir lernen, daß wir dem Haß keinen Raum geben sollen in unsrem Herzen.

     

Epilog des ersten Zehent

     
    Hier endet das erste Zehent dieser Geschichten, ein kleines Musterehen einstweilen von den Werken der weiland hochgeschürzten Muse aus dem Tourainer Land. Sie ist eine fesche Dirne, und das Wort unsres Freundes Verville, ›man muß frech sein, wenn man Gunst erlangen will‹, niedergeschrieben in seinem Buche: ›Wie die Welt will beschissen sein‹, ist ihr aus der Seele gesprochen. Genug für heut, liebes gutes Ding, leg dich nun schlafen, du bist müde und ein wenig außer Atem vom ersten Anlauf, der wohl kühner war, als man denkt. Trockne dir die hübschen nackten Füße, verstopfe dir die Ohren und ruhe dich aus in den Armen der Liebe. Wenn du von neuen Geschichten träumst, die von Lachen dröhnen und von Schalkhaftigkeit kichern, laß dich nicht kirre- und irremachen von dem dummen Geschrei und Geschimpf derer, die, wenn sie einmal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher