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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 1 (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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denn, daß der Autor sie verstümmeln und ihr da und dort ihre natürliche Beschaffenheit rauben soll? Er wäre ein Esel in der siebenundzwanzigsten Potenz, wenn er auch nur ein Feigenblatt dranklebte, da solche Werke ebenso wie dieses Buch ja nicht für Nonnenklöster bestimmt sind. Immerhin habe ich aus meinen Manuskripten zu meinem großen Ärger und Leidwesen manche kräftigen alten Wörter ausgestrichen, weil ich wohl weiß, daß an so vielen Leuten nichts keusch ist als die Ohren. Mit Recht können solche Ohren verlangen, daß man Rücksicht auf sie nehme. Wir wünschen nicht, daß eine jener tugendhaften Damen mit drei Liebhabern im Zorn über uns die schmalen Lippen kräusle. Und kein kleines Verbrechen wäre es, gewissen Jungfrauen ohne Jungfernschaft die Schamröte ins Gesicht zu treiben. Man muß den speziellen Lastern unserer Zeit Rechnung tragen. Auch ist ja die Umschreibung kitzliger als das nackte Wort.

     
    Wir sind aber mit der Zeit alt geworden. Lang gesponnene Albernheiten sind uns lieber als die kurzen Frechheiten unsrer Jugend, man kann länger dran saugen und suckeln. Seid also nicht gar zu aufgebracht gegen mich, lest auch mein Buch lieber bei Nacht als bei Tag, und vor allem gebt es keiner Jungfrau, wenn sie es noch ist, in die Hand, das arme Buch könnte Feuer fangen.
    Mich selber mögt ihr in Grund und Boden verfluchen. Um das Buch ist mir aber nicht angst, es hat denselben Quell und Ursprung wie so viele Dinge, die sich die Welt erobert haben, als zum Beispiel die königlichen Orden vom Goldenen Vlies, vom Heiligen Geist, der großbritannische Badeorden, der Orden vom Hosenband (Honni soit qui mal y pense) und andre hohe und weltberühmte Institutionen, unter deren Schutz und Schirm ich mich stelle.
    ›Also seid mir lustig und aufgeräumt, meine Lieben, und lest dies mit fröhlichem Sinn, daß sich eure Lenden und Eingeweide dabei wohl fühlen; wenn ihr mich aber verleugnet, nachdem ihr mich gelesen, so mög euch der Beelzebub reiten.‹
    Diese Worte sind von Meister Rabelais, vor dem wir alle ehrfurchtsvoll den Hut abziehen als vor dem König der Wissenschaft und aller göttlichen und menschlichen Komödie.

     

Die schöne Imperia

     
    Als sich der Erzbischof von Bordeaux nach dem Konzil von Konstanz begab, hatte er in seinem Gefolge ein Pfäfflein, einen Tourainer, der von feiner, zierlicher Rede und gar einnehmendem Wesen war, denn er galt für einen Sohn der damals weitberühmten schönen Soldée und des königlichen Statthalters. Der Erzbischof von Tours hatte ihn seinem Amtsbruder bei dessen Durchreise durch diese Stadt überlassen, quasi zum Geschenk gemacht; solche Geschenke sind unter Erzbischöfen üblich, die wohl wissen, daß, wenn einen die Theologie irgendwo juckt, man einen guten Theologen braucht, um sich kratzen zu lassen.

     
    Und also kam das Pfäfflein zum Konzil und wurde im Hause seines Prälaten einquartiert, der ein Mann war von guten Sitten und hoher Gelehrtheit. Philipp von Mala, so war der Name des Priesters, war entschlossen, sich gut zu führen und seinem Beschützer gewissenhaft zu dienen; aber er sah auf diesem Konzil hochheiliger Gottesgelahrtheit viele Leute, die weniger ein gottesgelehrtes als ein gottesgeleertes und lästerliches Leben führten, aber darum nur ein mehreres an Ablässen, Goldgulden und Pfründen gewannen als die andern, die sich eines würdigen und frommen Lebenswandels befleißigten. Eines Nachts also, da seine Tugend einmal wieder schwere Anfechtungen zu bestehen hatte, flüsterte ihm der Teufel ins Ohr und Hirn, er solle doch nicht so dumm sein und Hunger leiden, während ihm der große Brotkorb vor der Nase hänge; könne doch jeder am Busen unsrer heiligen Mutter, der Kirche, sich satt trinken, ohne daß die Quelle je versiege, durch welches Wunder allein schon die Gegenwart Gottes in seiner Kirche bewiesen werde. Der junge Priester aus unsrem allzeit lustigen Tourainer Land ließ sich das gesagt sein. Er nahm sich vor, zu bankettieren wie die andern und sich die deutschen Braten mitsamt der Brühe, Fasttage hin, Fasttage her, wohlschmecken zu lassen, wo sie nichts kosteten; denn der gute Jüngling war arm wie eine Kirchenmaus.

     
    Da er sehr enthaltsam lebte, dabei immer seinen alten Erzbischof als Muster vor Augen, der nicht mehr sündigte, weil er es nicht mehr konnte, und darum für einen Heiligen galt, hatte sein Fleisch fast immer böse Anfechtungen, und seine Seele wurde darüber voll Traurigkeit, um so mehr, als er
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