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Die drei Musketiere

Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere
Autoren: Alexandre Dumas
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von Eisen und einen Handschuh von Stahl; schlage dich bei jeglichem Anlaß; schlage dich um so eifriger, als der Zweikampf verboten ist und es demgemäß doppelt soviel Mut erheischt, sich zu schlagen. Mehr als fünfzehn Taler kann ich dir nicht mitgeben, lieber Sohn, außer meinem Pferd und den eben
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    vernommenen Ratschlägen. Die Mutter wird dir noch das
    Rezept zu einer bestimmten Salbe beifügen, das sie von einer Zigeunerin bekommen hat und das die wunderbare Eigenschaft besitzt, jede Wunde zu heilen, außer solchen, die das Herz betreffen. Ziehe aus allem den rechten Nutzen, und lebe glücklich und lange! – Ein Wort noch! Ein Beispiel will ich dir noch vor Augen halten, nicht mein eigenes, denn ich bin niemals bei Hofe gewesen und habe die Religionskriege bloß als Freiwilliger mitgemacht – aber vom Herrn von Tréville laß dir erzählen, der ehedem mein Nachbar war und die Ehre gehabt hat, als kleines Kind mit unserm König Ludwig XIII., den Gott erhalten möge, zu spielen! Hin und wieder geschah es, daß ihre Spiele zu Kämpfen ausarteten, in denen der König nicht immer der Stärkere war. Die Prügel, die der König dann bekam, setzten Herrn von Tréville bei ihm in Respekt und weckten in seinem königlichen Herzen ein Gefühl von Freundschaft für ihn. Herr von Tréville hat sich auf seiner ersten Reise nach Paris fünfmal mit andern duelliert; seit dem Tod des hochseligen Königs bis zur Volljährigkeit des jungen Königs, die Kriege und
    Belagerungen nicht gerechnet, weitere siebenmal; und von der Volljährigkeit Seiner jetzt regierenden Majestät bis zum heutigen Tage vielleicht hundertmal!... Und heute ist er trotz aller Erlasse, Verordnungen und Verurteilungen Hauptmann der Musketiere. Das ist, mein Sohn, eine Cäsarenlegion, vor der Seine Majestät der König gewaltigen Respekt, und seine Eminenz der Kardinal gewaltige Furcht hat, wie männiglich im Lande weiß. Obendrein bekommt Herr von Tréville im Jahre bare zehntausend Taler, ist also ein hoher Herr. Angefangen hat er wie du; suche ihn mit diesem Schreiben auf und mache es wie er, damit es dir so gut gehe wie ihm!«
    Damit schnallte der alte Herr d'Artagnan seinem Sohn seinen eigenen Degen um, küßte ihn zärtlich auf beide Wangen und gab ihm seinen Segen. Als der Sohn das väterliche Zimmer verließ, gab die Mutter ihm das berühmte Salbenrezept, das er, wenn er
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    nach den eben gehörten Ratschlägen zu handeln vorhatte, wahrscheinlich sehr oft brauchen muß te. Dieser Abschied wurde länger und zärtlicher als der erste, woraus aber nicht gefolgert werden darf, als ob Herr d'Artagnan keine Liebe zu seinem Sohn, dem einzigen Sprößling aus seiner Ehe, im Herzen getragen hätte: aber er war ein Mann und hätte es fü r seiner unwürdig gehalten, viel Rührung zu zeigen. Frau d'Artagnan dagegen war nicht bloß Frau, sondern in weit höherem Grade noch Mutter und schämte sich demgemäß der Tränen nicht...
    und zum Lobe des jungen Herrn d'Artagnan muß hier gesagt werden, daß er es zwar an Anstrengungen, fest zu bleiben, wie es sich für einen künftigen Musketier schickte, nicht fehlen ließ, der Natur aber doch nicht standhalten konnte, sondern auch zu weinen anfing, und daß es ihm schwer genug wurde, wenigstens den kleineren Teil seiner Tränen hinunterzuschlucken.
    Ausgerüstet mit den drei väterlichen Geschenken: den
    fünfzehn Talern, dem Gaul und dem Brief für Herrn von
    Tréville, machte sich der junge Mann am nämlichen Tag auf den Weg; die guten Ratschläge waren ihm, wie man begreifen wird, dreingegeben worden. Mit solchem Viatikum stellte also der junge Herr d'Artagnan in moralischer und physischer Hinsicht ein getreues Konterfei des Cervantesschen Helden dar: und während der edle Don Quichotte Windmühlen für Riesen und Schafherden für Armeen hielt, faßte der edle d'Artagnan jedes Lächeln als einen Schimpf und jeden Blick als eine
    Herausforderung auf. Hieraus folgte, daß er von Tarbes bis Meung die Faust unentwegt geballt hielt und wenigstens zehnmal am Tage damit an den Degenknopf schlug. Indessen fuhr die Faust kein einziges Mal unter eine Kinnlade und der Degen kein einziges Mal aus der Scheide, wiewohl es an spöttischen Blicken auf die Rosinante, die er ritt, wahrlich nicht fehlte. Da aber über ihre Weichen ein Degen von stattlicher Größe herniederhing und über diesem Degen ein Auge, mehr wild als stolz, funkelte, verbissen sich die Passanten das Lachen
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    oder gaben sich, wenn ihre Lachlust ihrer
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