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Die drei Musketiere

Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere
Autoren: Alexandre Dumas
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Klugheit ein Schnippchen schlug, alle Mühe, nach Art der Masken des Altertums bloß mit der einen Gesichtsseite zu lachen. – Bis er den Fuß in den unglückseligen Marktflecken Meung setzte, wurde d'Artagnan in seinem hohen Selbstgefühl und seiner heiklen Empfindlichkeit nicht gekränkt. Als er aber am Tor des Freimüllers sich anschickte, von seiner Rosinante zu steigen, ohne daß sich weder Wirt noch Kellner noch Hausknecht sehen ließ, um ihm den Steigbügel zu halten, richtete d'Artagnan den Blick zu einem Fenster des Hauses hinüber und gewahrte dort einen Edelmann von stattlicher Figur und stolzer Haltung, dessen Gesicht aber von einigen Runzeln gefurcht war, im Gespräch begriffen mit zwei Personen, die ihm voll
    Ehrerbietung zuzuhören schienen. Wie es seinem ganzen Wesen nach nicht anders möglich war, meinte d'Artagnan natürlich, es sei von ihm die Rede und horchte. Diesmal hatte er sich auch nur halb geirrt, denn nicht um ihn, sondern um seine Rosinante drehte sich das Gespräch. Der Edelmann schien seiner
    Zuhörerschaft sämtliche Eigenschaften des Tieres herzuzählen, und da, wie schon gesagt, alles in Ehrfurcht vor ihm erstarb, erschallte jeden Augenblick eine richtige Lachsalve. Da aber schon ein etwas höhnisch verzogener Mund genügte, um den jungen Mann in Zorn zu setzen, kann man sich denken, welche Wirkung solche maßlose Heiterkeit auf ihn hervorbrachte.
    Immerhin wollte sich d'Artagnan zunächst über die
    Physiognomie des ihm unbekannten frechen Menschen
    klarwerden, der sich derart über ihn lustig machte, und maß ihn mit dem stolzesten seiner Blicke. Da sah er, daß er einen Mann von 40-45 Jahren vor sich hatte, mit schwarzen,
    durchdringenden Augen, bleichem Teint, scharfgeschnittener Nase, schwarzem, gezwirbeltem Schnurrbart, in veilchenblauem Wams und gleichfarbiger Hose mit ebensolchen Schnüren. Von irgendwelchem anderen Zierat war an seiner Tracht nichts zu sehen. Wams und Hose waren wohl noch neu, sahen aber aus,
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    als seien sie von langem Tragen in einem Reisesack arg zerknüllt. D'Artagnan machte all diese Wahrnehmungen mit dem schnellen Blick des scharfen Beobachters und ohne Frage durch eine instinktive Empfindung getrieben, als müsse dieser Unbekannte auf die künftige Gestaltung seines Lebens einen großen Einfluß haben.
    Aber im selben Augenblick brach das Gelächter wieder in verstärktem Maße los, und diesmal konnte d'Artagnan nicht länger im Zweifel sein, daß es darauf abgesehen war, ihn zu beleidigen. Ohne sich länger zu besinnen, rückte er sein Federbarett tief in die Augen und legte mit einer Miene, wie er sie bei vornehmen Herren beobachtet, die rechte Hand auf den Knauf seines Degens, während er die linke in die Seite stemmte.
    Leider wuchs mit jedem Schritt, den er auf den Fremden zu machte, sein Zorn, so daß er statt der würdigen Ansprache, die er sich vorgenommen hatte, mit einer derben Grobheit
    herausplatzte, die er durch eine grimmige Gebärde noch arg verschärfte.
    »He, Sie da!« rief er, »kommen Sie doch mal hinter Ihrem Fensterladen vor und sagen Sie mir, warum Sie lachen. Wir wollen dann zusammen lachen.«
    Der Edelmann ließ den Blick langsam vom Gaul zum Reiter gleiten, als brauche er eine gewisse Zeit, um zu verstehen, daß diese absonderliche Rede wirklich ihm gelte. Als er dann erkannte, daß von einem Irrtum keine Rede mehr sein könne, zogen sich seine Brauen zusammen, aber es verging noch eine geraume Weile, bis er mit einem Spott und einer Frechheit, die sich unmöglich schildern ließe, dem jungen d'Artagnan
    erwiderte: »Mit Ihnen, Herr, rede ich nicht!« – »Aber ich rede mit Ihnen!« schrie der Jüngling, außer sich über diese Mischung von Frechheit und guten Manieren, von Beachtung und
    Mißachtung.
    Noch einen Augenblick lang maß ihn der Unbekannte mit
    seinem geringschätzigen Lächeln, dann trat er vom Fenster
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    zurück und langsamen Schrittes aus der Gaststube vor
    d'Artagnan hin, dicht neben seine Rosinante. Seine Ruhe und Ironie erhöhten die Lustigkeit der Umstehenden in nicht geringem Maße, zumal er ihnen noch allerhand Bemerkungen zuwarf. D'Artagnan zog, als er ihn auf sich zukommen sah, seinen Degen fußlang aus der Scheide.
    »Wenn der Gaul in seiner Jugend kein Fuchs war, so ist er es doch jetzt,« sagte der Unbekannte wieder zu seinen Bekannten am Fenster, ohne sich um d'Artagnans Grimm irgendwie zu kümmern. »In der Botanik ist die Farbe ja zu Hause, aber bei Pferden sieht man sie nur selten.« –
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