Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die drei Musketiere

Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere
Autoren: Alexandre Dumas
Vom Netzwerk:
mit unsäglicher Geduld nach dem Brief zu suchen und wandte alle Taschen wohl zwanzigmal um,
    wühlte in Mantelsack und Börse wohl eine Viertels tunde lang; aber der Brief fand sich nirgends mehr vor... und nun verfiel er in den dritten Wutanfall, der ihm fast eine neuerliche Anwendung von Rosmarin usw. aufgedrungen hätte; denn als
    -17-
    der Wirt sah, daß der junge Hitzkopf wieder herumzurasen anfing und alles im Hause kurz und klein zu schlagen drohte, hatte er sich im Nu mit einem Spieß, die Frau mit einem Besenstiel bewaffnet, während seine Kellner zu den nämlichen Stöcken griffen, mit denen dem unwirschen Patron schon tags vorher das Fell verbleut worden war.
    »Mein Brief!« schrie dieser, »mein Brief! Gottes Blut, oder ich spieße euch alle miteinander auf wie Krammetsvögel!«
    Leider setzte sich der Ausführung dieser Drohung ein
    Umstand entgegen, und zwar der, daß sein Degen bei dem ersten Geplänkel entzweigeschlagen worden war. Das aber hatte er in seinem Grimm vergessen, und so sah er sich denn, als er nun blankziehen wollte, im Besitz eines bloßen Degenstumpfes von 8 bis 10 Zoll Länge, den der Wirt vorsorglich in die Scheide geschoben, während er das andere Stück auf die Seite gebracht hatte, in der Absicht, sich einen Bratspieß daraus zu machen.
    Nichtsdestoweniger hätte sich unser rasender Roland durch diese Enttäuschung wohl kaum abhalten lassen, seine Absicht auszuführen; der Wirt war aber zu der Einsicht gekommen, daß die von dem Reisenden erhobene Forderung durchaus recht und in Ordnung war... »Ja, wo ist denn Euer Brief?« sagte er, seinen Spieß senkend. – »Ja, wo ist der Brief?« schrie d'Artagnan...
    »Ihr müßt nämlich wissen, daß der Brief an Herrn von Tréville gerichtet war, und wenn er sich nicht wiederfindet, nun, dann wird ihn dieser schon zu suchen wissen!«
    Diese Drohung schüchterte den Wirt vollständig ein. Nach dem König und dem Kardinal war Herr von Tréville der Mann, dessen Name von den Soldaten und Bürgern vielleicht am allerhäufigsten genannt wurde. Freilich war ja noch Pater Joseph da; dessen Name ward immer nur leise geflüstert, so groß war der Schrecken, den die »graue Eminenz«, wie man allgemein den Famulus des Kardinals nannte, allen Le uten in Frankreich einflößte. Der Wirt warf also seinen Spieß weg und hieß die Frau den Besenstiel beiseite stellen, die Kellner die Stöcke aus
    -18-
    den Händen legen, während er sich selbst daranmachte, den in Verlust geratenen Brief zu suchen... »War denn in dem Brief irgendwas Kostbares?« fragte er, nachdem er eine Weile vergeblich gesucht hatte. – »Gottes Blut! das will ich meinen!«
    rief der Gascogner, denn er versprach sich von dem Brief ja die beste Aussicht für seine Lebenslaufbahn... »Er barg doch mein ganzes Vermögen!« – »In spanischen Wertpapieren?« fragte der Wirt voll Unruhe. – »In Anweisungen auf die königliche Privatschatulle«, versetzte d'Artagnan, denn er rechnete ja zufolge dieser Empfehlung auf eine Anstellung im königlichen Dienst und meinte deshalb, volle Berechtigung zu solcher freilich etwas gewagten Rede zu haben, ohne sich damit einer Lüge schuldig zu machen.
    »Schwerenot!« rief der Wirt, ganz außer sich. – »Aber aufs Geld kommt's in diesem Fall gar nicht so sehr an«, nahm d'Artagnan wieder das Wort, mit der ihm als Gascogner
    eigentümlichen Großtuerei; »bloß auf den Brief! den Brief!
    Lieber hätte ich tausend Pistolen verloren als den Brief!«
    Plötzlich kam dem Wirt, der sich zu allen Geiern wünschte, als er trotz allem Suchen den Brief nicht fand, ein Gedanke...
    »Der Brief ist ja gar nicht verloren!« rief er. – »So?« machte d'Artagnan. – »Nein, verloren nicht, gestohlen ist er Euch!« –
    »Gestohlen? von wem?« – »Von dem Edelmann von gestern, denn er war ja in der Küche, wo Euer Wams lag; war allein dort, und ich möchte darauf wetten, daß er, und kein andrer, Euch den Brief gestohlen hat.« – »Meint Ihr?« erwiderte d'Artagnan, ohne sich für diese Ansicht besonders erwärmen zu können, denn er wußte doch recht gut, daß an dem Brief nichts war, was jema ndes Habsucht hätte reizen können.
    Immerhin fragte er: »So? Ihr habt also auf diesen
    unverschämten Menschen Verdacht?« – »Ich bin meiner Sache sogar ganz sicher«, erwiderte der Wirt, »denn als ich ihm gesagt hatte, Ihr seiet an Herrn von Tréville mit einem Schreiben empfohlen, also dessen Schützling, da verlor er mit einem Mal
    -19-
    die Ruhe und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher