Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dämonen

Titel: Die Dämonen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Nikolai Wsewolodowitsch nur die höchste Entrüstung, ja sogar reine Verzweiflung hervorgerufen. Er schloß seine Aussagen über Stawrogin, wieder eilig und ungefragt, mit der offenbar absichtlichen Bemerkung, dieser sei eine außerordentlich wichtige Persönlichkeit; aber es liege da ein Geheimnis vor; er habe bei uns sozusagen inkognito gelebt, habe gewisse Aufträge, und es sei sehr möglich, daß er wieder von Petersburg zu uns komme (Ljamschin war davon überzeugt, daß Stawrogin in Petersburg sei), aber dann bereits in ganz anderer Gestalt und in anderer Umgebung und in Begleitung von Persönlichkeiten, von denen man vielleicht auch bei uns bald zu hören bekommen werde; all das habe er von Peter Stepanowitsch gehört, dem geheimen Feinde Nikolai Wsewolodowitschs.

    Ich mache hierzu eine Anmerkung. Zwei Monate später gestand Ljamschin, er habe Stawrogins Beteiligung absichtlich geleugnet in der Hoffnung, dieser werde ihn protegieren, ihm in Petersburg eine Milderung der Strafe um zwei Stufen auswirken und ihn für die Verschickung mit Geld und Empfehlungsbriefen ausstatten. Aus diesem Geständnisse geht hervor, daß er tatsächlich eine übermäßig hohe Meinung von Nikolai Stawrogin hatte.
    An demselben Tage arretierte man selbstverständlich auch Wirginski und im Eifer auch gleich seine ganze Familie. (Arina Prochorowna, ihre Schwester, ihre Tante und sogar die Studentin sind jetzt schon längst wieder in Freiheit; man sagt sogar, auch Schigalew werde jedenfalls in kurzer Zeit entlassen werden, da er zu keiner Kategorie der Angeklagten gehöre; übrigens ist das vorläufig nur ein Gerede.) Wirginski war sofort und in allen Punkten geständig: er lag krank und fieberte, als er arretiert wurde. Man sagt, er habe sich beinahe gefreut und gesagt, es sei ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Es verlautet über ihn, er mache seine Aussagen jetzt offenherzig, aber sogar mit einer gewissen Würde und gebe keine einzige seiner »leuchtenden Hoffnungen« auf, verfluche aber gleichzeitig den politischen Weg (im Gegensatze zu dem sozialistischen), auf den er sich so unversehens und so leichtsinnig »durch den Wirbelsturm der zusammengekommenen Umstände« habe treiben lassen. Sein Verhalten bei der Ausführung des Mordes wird in einem für ihn günstigen Sinne beurteilt, und es scheint, daß auch er auf eine gewisse Milderung seines Schicksals rechnen kann. So behauptet man wenigstens bei uns.
    Aber es wird kaum möglich sein, Erkels Los zu erleichtern. Gleich mit seiner Verhaftung hat er angefangen, zu schweigen oder nach Möglichkeit die Wahrheit zu verdrehen. Bis jetzt ist noch kein Wort der Reue von ihm zu erlangen gewesen. Dabei aber hat er selbst bei den strengsten Richtern eine gewisse Sympathie für sich erweckt durch seine Jugend, durch seine Schutzlosigkeit, sowie durch die klarliegende Tatsache, daß er nur das fanatische Opfer eines politischen Verführers ist, vor allem aber durch sein bekannt gewordenes Betragen gegen seine Mutter, der er dauernd beinah die Hälfte seines kärglichen Gehaltes übersandt hat. Die Mutter wohnt jetzt bei uns; sie ist eine schwächliche, kranke Frau, die über ihre Jahre alt aussieht; sie weint viel und wälzt sich buchstäblich vor den Füßen der Richter umher, bei denen sie Fürbitte für ihren Sohn einlegt. Wie auch immer der Ausgang sein mag, aber Erkel bedauern bei uns viele.
    Liputin wurde erst in Petersburg festgenommen, wo er ganze zwei Wochen gelebt hatte. Mit ihm war etwas fast Unglaubliches geschehen, das sich nur schwer erklären läßt. Man sagt, er habe einen Paß auf einen fremden Namen und die vollständige Möglichkeit ins Ausland zu entrinnen gehabt, habe auch sehr bedeutende Geldmittel mit sich geführt und sei trotzdem in Petersburg geblieben und nirgendshin weggereist. Eine Zeitlang hatte er nach Stawrogin und Peter Stepanowitsch gesucht; dann aber hatte er sich auf einmal dem Trunke und einem maßlos liederlichen Lebenswandel ergeben, wie ein Mensch, der allen gesunden Verstand und jedes Bewußtsein seiner Lage vollständig verloren hat. Er wurde in Petersburg betrunken in einem Bordell verhaftet. Es geht das Gerücht, er habe auch jetzt keineswegs den Mut verloren, lüge bei seinen Aussagen und bereite sich auf die bevorstehende Gerichtsverhandlung mit einer gewissen Feierlichkeit und hoffnungsvoll (?) vor; er beabsichtige, vor Gericht zu reden. Tolkatschenko, der irgendwo im Kreise zehn Tage nach seiner Flucht festgenommen ist, benimmt sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher