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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition)
Autoren: Jan Guillou
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begleiten durfte.
    Sie glaubten, dass sie von dort in ein Kriegsgefangenenlager gebracht werden würden, aber so kam es nicht. Ein General Shepphard, ebenfalls in Paradeuniform, empfing die Gruppe der Offiziere, die weniger als hundert Mann umfasste, auf dem Bahnhof. Von dort eskortierte er die im Gleichschritt marschierenden Offiziere persönlich auf einem Schimmel, wie der auch immer nach Dar gekommen sein mochte, zum Hafen. Dort lag die Transvaal , die unmittelbar Richtung Europa in See stechen würde.
    Zum dritten Mal gab es eine Konfusion wegen Kadimba, der sich weigerte, an Bord zu gehen. Oscar begab sich zusammen
mit Günther Ernbach, der gut Englisch sprach, wieder auf den Kai, um das Problem zu erklären. Kadimba war zwar deutscher Offizier, aber nicht in Deutschland, sondern in Tanganjika beheimatet. Erneut erwiesen sich die Engländer als erstaunlich zuvorkommend. Wenn Kadimba seine deutsche Uniform und die deutschen Hoheitsabzeichen abgebe, sei er ein freier Mann. Mithilfe zweier Goldmünzen, die Oscar aus seinem Patronengürtel gerettet hatte, war die Sache schnell geregelt.
    Als er Kadimba auf dem Kai umarmte, musste er sich anstrengen, um nicht in Tränen auszubrechen. Kadimba meinte, es sei wie bei ihrem letzten Abschied. Sie würden sich vielleicht nie wiedersehen, aber trotzdem für alle Zeit unzertrennlich bleiben. Dann drehte er sich um und ging, ohne sich noch einmal umzuschauen, in Sandalen und seiner weißen afrikanischen Dischdascha Richtung Bahnhof. Er hatte eine Familie, zu der er heimkehren würde, denn im Norden hatten die Belgier nicht gewütet.
    Die deutschen Offiziere waren recht beengt in der zweiten Klasse untergebracht. Der Beschriftung einer Schwimmweste entnahm Oscar, dass die Transvaal ursprünglich die Feldmarschall war, auf der er vor Ewigkeiten einmal eine Fahrkarte in der ersten Klasse gelöst hatte, die er nie hatte nutzen können.
    Aus lauter Jux und Tollerei ging er zum Kapitän hinauf und beklagte sich darüber in schlechtem Englisch, was ihm jedoch nicht viel einbrachte. Er meinte, den langen Erklärungen zu entnehmen, dass der gesamte deutsche Besitz in Ostafrika im Rahmen eines Gesetzes über Feindeseigentum konfisziert worden sei. Das betraf alles, Eisenbahnen, Häuser, Häfen und sogar Brauereien.
    Auf dem Weg Richtung Rotes Meer und Suez tranken sie zum ersten Mal seit dem erfolgreichen Angriff auf Negomano echten englischen Whisky. Günther lag ihnen die ganze Zeit damit in den Ohren, was für ein großes Glück die Revolution sei, weil sie alle, letztendlich selbst die Engländer, Belgier und Südafrikaner, befreien würde.
    Auf dem Roten Meer bekam Oscar Fieber. Die inkompetenten englischen Ärzte glaubten, es sei Malaria, aber es gelang ihm, sie davon zu überzeugen, dass er nur viel Wasser benötigte. Und möglichst auch ein Mittel gegen Ruhr, aber das gab es natürlich nicht.

XXV
BERLIN
    Februar und März 1919

    Die Revolution war zumindest in der Hauptstadt blutig niedergeschlagen worden. Die Sozialdemokraten und die Armee hatten ihr Möglichstes getan. Was das Aufspüren von Bolschewisten und ähnlich subversiven Elementen betraf, waren die Bürgerwehren überaus fleißig gewesen. Verdächtige, die nicht sofort erschossen worden waren, hatte man dem Militär übergeben, damit die Hinrichtungen unter geordneteren Verhältnissen stattfinden konnten, um so dem Gemetzel zumindest nach außen den Anschein von Rechtsstaatlichkeit zu verleihen.
    Aber dieser Form der Rattenjagd, wie die Gardisten ihre Tätigkeit bezeichneten, bereitete die sozialdemokratische Regierung rasch ein Ende.
    Als Folge davon waren die normalen Gefängnisse bald mit Verdächtigen überfüllt, die vom Militär dort angeliefert worden waren.
    Für den Direktor des Gefängnisses in Moabit war die Lage betrüblich, und zwar in mehr als einer Hinsicht. Die Überbelegung machte ihm zu schaffen, denn auch die zusätzlichen Baracken auf dem Hof reichten nicht weit.
Außerdem war der rechtliche Status etlicher Inhaftierter äußerst unklar.
    Walther Knobe fand die Situation in seiner Anstalt äußerst unbefriedigend. Er war ein Mann, dem die Wahrung der Form wichtig war, außerdem war er insgeheim Sozialdemokrat, was in seinem Metier ungewöhnlich war.
    Insasse eines Gefängnisses sollte in jedem Fall nur sein, wer im Laufe eines rechtsstaatlichen Prozesses vor Gericht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, aber nicht, wer von seinen politischen Gegnern auf der Straße aufgegriffen worden
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