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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke
Autoren: Ian Banks
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wirst mir glauben.«
    »Warum?«
    »Weil ich eine Maschine bin, und du vertraust Maschinen, du
verstehst sie, und sie ängstigen dich nicht, sie beeindrucken
dich. Für Menschen empfindest du anders.«
    Ich denke darüber nach, dann versuche ich es mit einer
anderen Frage. Wo bin ich? Die Maschine erklärt: »Dein
wirkliches Ich, dein physischer Körper ist jetzt in der
neurochirurgischen Abteilung im Southern General Hospital von
Glasgow. Du bist von der Royal Infirmary in Edinburgh verlegt
worden… es ist schon eine Weile her.« Die Maschine ist sich
anscheinend nicht sicher.
    »Du weißt es nicht?« frage ich sie.
    »Du weißt es nicht«, behauptet sie.
»Man hat dich verlegt, das ist alles, was wir beide wissen. Es
mag drei Monate her sein, vielleicht fünf oder sogar sechs. Wie
auch immer, in deinem Traum waren es etwa zwei Drittel des Weges
hindurch. Die Behandlungen und Drogen, die man an dir ausprobiert
hat, haben deinen Zeitsinn verwirrt.«
    »Hast du – habe ich – eine Ahnung, welches Datum
wir schreiben? Wie lange war ich ohne Bewußtsein?«
    »Das ist ein bißchen leichter. Sieben Monate. Das
letzte Mal, als Andrea Cramond dich besuchte, erwähnte sie, in
einer Woche sei ihr Geburtstag, und wenn du aufwachen solltest,
wäre es das beste…«
    »Okay«, unterbreche ich die Maschine. »Dann haben
wir also Anfang Juli. Ihr Geburtstag ist am 10.«
    »Na also.«
    »Hmm. Und meinen Namen weißt du wohl auch
nicht?«
    »Du vermutest richtig.«
    Ich schweige eine Weile.
    »Wirst du nun an dem Tag aufwachen?« erkundigt die
Maschine sich.
    »Ich weiß es nicht. Ich bin mir nicht sicher, wie die
Alternativen aussehen. Welche Wahl habe ich?«
    »Bleib unten oder komm an die Oberfläche«, sagt die
Maschine. »So einfach ist das.«
    »Aber wie komme ich an die Oberfläche? Ich habe es auf
dem Weg hierher versucht, bevor ich die Wüste erreichte. Ich
versuchte, zu einer anderen Existenz aufzuwachen…«
    »Ich weiß. Leider kann ich dir in dem Punkt nicht
helfen. Ich weiß nicht, wie du es machen sollst, ich weiß
nur, daß du es kannst, wenn du willst.«
    »Zum Teufel, ich weiß es nicht. Will ich es
denn?«
    »Dein Urteil«, meint die Maschine, »ist ebensogut
wie meines.«
     
    Ich weiß nicht, was man in mich hineinpumpt, aber im
Augenblick ist alles verschwommen. Die Maschine kommt mir real vor,
wenn sie hier ist, die Menschen jedoch nicht. Es ist, als herrsche
Nebel innerhalb meiner Augen, als habe sich die Flüssigkeit in
ihnen verdunkelt, als seien sie schließlich doch verschlammt.
Meine anderen Sinne sind ähnlich angegriffen. Alles, was ich
höre, ist verzerrt. Nichts riecht oder schmeckt nach irgend
etwas Besonderem. Ich glaube, sogar meine Gedanken verlangsamen
sich.
    Ich liege da, ein seichter Mann mit einer seichten Atmung, und
versuche, tief zu denken.
     
    Nach einer Weile, nichts. Keine Menschen, keine Maschine, nichts
zu sehen oder zu hören oder zu schmecken oder zu riechen oder zu
fühlen, kein Bewußtsein meines eigenen Körpers.
Überall Grau. Nur Erinnerungen.
    Ich schlafe ein.
     
    Ich wache in einem kleinen Zimmer mit einer einzigen Tür auf.
In die eine Wand ist ein Schirm eingelassen.
    Der Raum ist kubisch, in Grau gehalten, fensterlos. Ich sitze in
einem großen ledernen Armsessel. Der Sessel kommt mir bekannt
vor. Einer wie dieser steht in dem Haus in Leith, im Arbeitszimmer.
Es müßte ein kleines Brandloch auf der rechten Armlehne
sein, wo ein bißchen Haschisch aus… nein, nicht da.
Muß ein neuer Sessel sein. Ich betrachte meine Hände. Ein
bißchen Narbengewebe auf der rechten. Ich trage
Mephisto-Schuhe, Lee-Jeans, ein kariertes Hemd. Ich habe keinen Bart.
Ich komme mir dünner vor, als ich mich in Erinnerung habe.
    Ich stehe auf und sehe mich in dem Zimmer um. Der Schirm ist tot;
keine Kontrollen. Indirekte Beleuchtung ringsherum oben an den
Wänden. Alles ist in grauem Beton; gibt ein warmes Gefühl.
Keine Ritzen in dem Beton, der ist erstklassig gegossen worden. Mir
schießt die Frage durch den Kopf, welche Firma den Auftrag
hatte. Die Tür ist normal, aus Holz. Ich öffne sie.
    Auf der anderen Seite der Tür ist ein ähnlicher Raum. Er
hat keinen Schirm und keinen Sessel, nur ein Bett. Es ist ein
Krankenhausbett, leer. Glatte weiße Laken und eine einzige
graue Decke, von der eine Ecke zurückgeschlagen ist, wie als
Einladung.
    Ein Geräusch kommt aus dem Zimmer, das ich soeben verlassen
habe.
    Wenn ich hineingehe, denke ich, und dort einen alten Mann finde,
der wie ich
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