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Die Brillenmacherin

Die Brillenmacherin

Titel: Die Brillenmacherin
Autoren: Aufbau
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statt dessen klopfte ihr Herz müde, die Brust war leer. Der Ritter war gegangen, ohne sich zu bedanken, er hatte nicht einmal danach gefragt, wie es ihr gelungen war, seine Augenschwäche zu besiegen.
    Sie hatte Elias enttäuscht – für nichts.

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    Der Rockingham Forest dampfte. Wie Geister strichen Nieselwolken zwischen den Eichen dahin, bemalten sie mit Silberglanz, trugen winzige Tropfen auf, bis die Stämme schimmerten. Das Blätterwerk schwieg, es rauschte allein der Regen. Die Vögel hockten stumm im Geäst. In keinem Versteck entkamen sie der Feuchtigkeit, die von allen Seiten nach ihnen griff. Sie ergaben sich ihrem Schicksal, schüttelten nur dann und wann die Tropfen vom Schnabel.
    Zwei Frauen gingen zwischen den Eichen. Sie konnten unterschiedlicher nicht sein: Die eine erinnerte an ein Bauernweib, eingewickelt in grobe erdfarbene Wolltücher und von der Statur einer Weltenmutter. Sie schwankte beim Gehen, als müßte sie mit den Füßen die Festigkeit des Bodens prüfen. Die andere Frau hielt Kinn und Kopf erhoben. Ihr blauer Mantel schleifte über den Waldboden. Hände und Gesicht waren von ungewöhnlicher Blässe: ein Wintermädchen. Über die Schultern wallten Locken und bedeckten halb die herabhängende Kapuze.
    »Das ist mein Leben, Gonora«, sagte Anne von Ashley, »Kälte, Düsternis und Müdigkeit. Ich gehöre in diesen Wald, genauso wie das verrottende Laub.«
    »Herrin, so dürft Ihr nicht reden.«
    »Gäbe es Sturm! Einmal einen bäumebrechenden Sturm. Aber wir haben weder Sonnenschein noch Unwetter.«
    »Gestern war es sonnig, Herrin.«
    »Weißt du, ich vertraue niemandem mehr. Nur dir vertraue ich.«
    Die Kammerfrau blieb stehen und senkte den Blick. »Das ist nicht wahr. Ihr vertraut auch mir nicht.«
    »So?« Anne von Ashley schob die Hände in die Ärmel des |25| Mantels. Sie hob die Schultern und schüttelte sich. »Es ist kalt.«
    »Die vielen Reisen, auf denen Euch niemand begleiten darf. Ich glaube nicht, daß Ihr tatsächlich nach Ashley oder Milnehope Manor reitet.«
    »Ach bitte, fang nicht wieder damit an. Du kannst den Verwalter von Milnehope Manor befragen. Ich war immer dort.«
    »Und weshalb? Ihr habt John Beysin nicht geliebt.«
    »Darf ich nicht das Grab meines verstorbenen Mannes besuchen?«
    »Euer Kopf und Euer Herz sind voll von Thomas Latimer. Es ist kein Platz für John Beysin von Ashley mehr darin, und Ihr wißt, daß ich das weiß.«
    Anne von Ashley bückte sich und hob ein schwarzes Blattgerippe auf. »Siehst du die feinen Äderchen? Einst war dies ein saftiges Blatt an einem Baum, das sich in den Wind geworfen hat. Es hat getanzt. Dann kam der Winter, und es mußte sterben. Was ist von ihm geblieben? Nicht viel. Was wird von ihm in einem Jahr übrig sein? Es ist einsam. Seine Gefährten sind von Würmern unter die Erde gezogen worden. Alles ist vergänglich, Gonora.«
    »Hattet Ihr Streit mit dem Herrn Ritter?«
    »Im Augenblick kümmert er sich nur um diesen Brillenmacher. Und hast du uns je streiten hören? Ich wünschte, wir würden streiten! Ich wünschte, er würde mich anschreien, mich einsperren, meinetwegen mich schlagen.«
    »Ihr teilt das Leid mit vielen Frauen. Sir Latimer hat Eure Besitztümer geheiratet und nicht Euch. Aber ich habe von Lords gehört, die ihre Frauen schlecht behandeln. Sir Latimer ist gut zu Euch.«
    »Er ist weder gut noch schlecht zu mir. Er ist überhaupt nicht.« Sie schnitt Gonora mit einer Handbewegung das Wort ab. »Genug davon. Sag, hast du die Geschichte dieses Doktor Hereford gehört? Er soll aus dem Gefängnis in Rom entkommen sein und wieder in England sein Unwesen treiben.«
    »Davon weiß ich nichts.«
    |26| »Er ist ein Teufel. Man hat ihn exkommuniziert wegen seiner ketzerischen Predigten, und was wagt dieser Kerl? Er beschwert sich in Rom.«
    »Nun, seine Strafe hat er ja bekommen.«
    »Eben nicht! Hörst du mir nicht zu? Er ist auf freiem Fuß, entflohen ist er!«
    »Herrin, bitte, ereifert Euch nicht, Eure Gesundheit wird leiden, wenn Ihr Euch so erregt. Ihr werdet im Recht sein, was diesen Teufelsdoktor angeht, natürlich seid Ihr im Recht.«
    »Was mir Sorge macht, ist, daß Thomas im guten von ihm spricht. Es klingt, als seien sie die besten Freunde, dabei hat er ihn nie gesehen. Weiß er nichts von der finsteren Art dieses Mannes?«
    Sie schwiegen.
    »Gonora?« Anne von Ashley sah ihrer Kammerfrau in die Augen. Sie lächelte nicht, aber in das feine, blasse Gesicht war eine seltsame Ruhe
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