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Die Braut des Normannen

Die Braut des Normannen

Titel: Die Braut des Normannen
Autoren: Julie Garwood
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Kamins stand ein mit einem weißen Tuch bedeckter Altar, vor dem ledergepolsterte Kniebänkchen aufgestellt waren.
    Royces Blick fiel sofort auf die Nonne, die dort kniete.
    Sie hatte den Kopf im Gebet gesenkt und die Hände über dem Kreuz, das sie an einem dünnen Lederriemen um den Hals trug, gefaltet.
    Sie war ganz in Weiß gekleidet – von der Haube, die ihr Haar bedeckt, bis zu den Schuhen. Royce blieb auf der Schwelle stehen und wartete, bis sie sein Erscheinen zur Kenntnis nahm. Da kein Abendmahlskelch auf dem Altar stand, beugte Royce nicht die Knie.
    Die Dienerin berührte verängstigt die schmale Schulter der Nonne, bückte sich und flüsterte ihr ins Ohr: »Schwester Danielle, der normannische Anführer ist gekommen. Müssen wir uns jetzt ergeben?«
    Die Frage wirkte in dieser Situation so lächerlich, daß Royce beinah das Gesicht verzog. Er gab Ingelram ein Zeichen, sein Schwert in die Scheide zu stecken, und ging in die Mitte des Raumes. Zwei Mägde drängten sich vor dem mit Fellen verhängten Fenster aneinander. Eine von ihnen hielt ein Baby in ihren Armen, das emsig an seinem kleinen Fäustchen lutschte.
    Royce wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Nonne zu. Von seinem Standort aus konnte er nur ihr Profil sehen. Endlich schlug sie ein Kreuz zum Zeichen, daß ihr Gebet beendet war, und stand anmutig auf. Sobald das Baby sie sah, krähte es lautstark und streckte die Ärmchen nach ihr aus.
    Die Nonne nahm das Kind in die Arme und hauchte einen Kuß auf seinen Kopf, ehe sie auf Royce zuging.
    Noch immer konnte er ihr Gesicht nicht sehen, weil sie den Kopf gesenkt hielt, aber er war zutiefst beeindruckt von ihrer Sanftmut und dem leisen Flüstern, mit dem sie das Kind beruhigte. Ein weißblonder Flaum, der nach allen Richtungen abstand, bedeckte das kleine Köpfchen – dadurch sah das Kind aus wie ein kleiner Kobold. Das Baby kuschelte sich zufrieden an die Brust der Nonne, saugte schmatzend an seinen Fäusten und gähnte hin und wieder.
    Danielle blieb vor Royce stehen. Sie war mehr als einen Kopf kleiner als er und erschien ihm sehr zart und zerbrechlich.
    Als sie den Blick hob und ihm in die Augen sah, stockte ihm der Atem.
    Sie war wunderschön – weiß Gott, sie hatte das Gesicht eines Engels. Ihre Haut war makellos, und die tiefblauen Augen raubten ihm beinah den Verstand. Royce war fast sicher, daß er vor einer Göttin stand, die nur auf die Erde gekommen war, um ihn zu peinigen. Ihre feinen hellbraunen Augenbrauen wölbten sich in perfekten Bögen über diese seelenvollen Augen, ihre Nase war gerade und hatte genau die richtige Länge, und ihr feingeschwungener Mund schimmerte rosig und verlockend.
    Royces Körper reagierte sofort auf diese außergewöhnliche Frau, und er verabscheute sich selbst dafür. Er hörte, wie Ingelram scharf die Luft einsog, und das verriet ihm, daß sein Gefolgsmann von dieser zauberhaften Frau ebenso beeindruckt war wie er selbst. Royce bedachte ihn mit einem finsteren Blick, ehe er sich der Nonne erneut zuwandte.
    Danielle hatte ihr Leben der Kirche geweiht und war eine Braut Jesu und keine gewöhnliche Kriegsbeute, die ein Soldat seinem Willen unterwerfen konnte. Wie sein oberster Dienstherr, William der Eroberer, respektierte Royce die Kirche und bot dem Klerus, wann immer es möglich war, Schutz.
    Er seufzte.»Zu wem gehört dieses Kind?« fragte er und bemühte sich gleichzeitig, seine unfrommen Wünsche, die diese Frau geweckt hatte, zu verdrängen.
    »Es ist Clarises Baby«, erwiderte sie mit einer heiseren Stimme, die ihn noch mehr verwirrte. Danielle deutete auf die dunkelhaarige Dienerin, die sich in den Schatten zurückgezogen hatte. Sofort trat die junge Frau einen Schritt vor. »Clarise war uns jahrelang eine treuergebene Dienerin. Ihr Sohn trägt den Namen Ulric.«
    Sie betrachtete das Kind und sah, daß es an ihrem Kreuz knabberte. Sie nahm es ihm behutsam weg, bevor sie ihren Blick wieder auf Royce richtete.
    Sie starrten sich lange schweigend an, während Danielle dem kleinen Ulric besänftigend über den Rücken strich.
    Ihre Miene verriet keinerlei Furcht, und sie schenkte der langen sichelförmigen Narbe, die seine Wange zierte, kaum Beachtung. Das brachte Royce ein wenig aus dem Gleichgewicht – er war es gewöhnt, daß Frauen auf die unterschiedlichsten Arten reagierten, wenn sie sein Gesicht zum erstenmal sahen. Aber die Entstellung schien die Nonne in keinster Weise zu stören, und das gefiel ihm außerordentlich.
    »Ulrics Augen haben
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