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Die Bourne-Identität

Titel: Die Bourne-Identität
Autoren: Robert Ludlum
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verlassen.«
    Der Mann ohne Gedächtnis begriff die ungewollte Ironie in den Worten des Kapitäns. Ich weiß auch nicht, woher ich komme.
    »Sie können nicht länger hier bleiben«, sagte Geoffrey Washburn, als er in das abgedunkelte Schlafzimmer trat. »Ich hatte ehrlich geglaubt, ich könnte verhindern, daß Sie ernsthaft angegriffen werden. Aber jetzt, wo Sie den Schaden angerichtet haben, bin ich nicht mehr in der Lage, Sie zu schützen.«
    »Man hat mich provoziert.«
    »In dem Maße? Ein Mann hat ein gebrochenes Handgelenk und Platzwunden am Hals und im Gesicht, die ich nähen muß. Ein anderer hat Platzwunden am Kopf, dazu eine schwere Gehirnerschütterung und eine Nierenverletzung, deren Ausmaß ich noch nicht kenne. Ganz zu schweigen von einem Tritt in den Unterleib, von dem die Hoden angeschwollen sind! Ich glaube, man nennt das Overkill.«
    »Wenn es anders gelaufen wäre, dann wäre es nur ein >Kill< gewesen und ich ein toter Mann.« Der Patient hielt inne, fuhr aber fort, ehe der Arzt das Wort ergreifen konnte. »Ich glaube, wir sollten miteinander reden. Es sind einige Dinge geschehen; mir sind andere Worte in den Sinn gekommen. Darüber sollten wir sprechen.«
    »Das sollten wir, aber das können wir jetzt nicht. Es ist keine Zeit. Sie müssen sofort gehen. Ich habe Vorbereitungen getroffen.«
    »Gleich?«
    »Ja. Ich habe denen gesagt, daß Sie ins Dorf gegangen sind, wahrscheinlich um sich zu betrinken. Die Familien werden Sie jetzt suchen - jeder Bruder, Vetter und Schwager. Sie werden Messer mitbringen und Bootshaken, vielleicht auch Pistolen. Und wenn sie Sie nicht finden, werden sie hierher zurückkommen. Die werden nicht eher ruhen, bis sie Sie aufgespürt haben.«
    »Wegen eines Kampfes, den ich nicht angefangen habe?«
    »Weil Sie drei Männer verletzt haben, die zusammen wenigstens einen Monat Lohn verlieren werden. Und dann noch aus einem anderen Grund, der viel wichtiger ist.«
    »Und welcher ist das?«
    »Die Demütigung. Ein Fremder hat sich nicht nur einem, sondern gleich drei hochgeachteten Fischern von Port Noir überlegen gezeigt.«
    »Hochgeachteten?«
    »Was ihre körperliche Kraft anbetrifft. Lamouches Mannschaft gilt als die schlagkräftigste im ganzen Dorf.«
    »Das ist lächerlich.«
    »Für die nicht. Das ist ihr Ehrgefühl ... Jetzt beeilen Sie sich! Packen Sie Ihre Sachen. Ein Boot aus Marseille liegt im Hafen; der Kapitän hat sich bereit erklärt, Sie mitzunehmen und Sie eine halbe Meile nördlich von La Ciotat abzusetzen.«
    Der Mann ohne Gedächtnis hielt den Atem an. »Dann ist es Zeit«, sagte er leise.
    »Allerdings«, erwiderte Washburn. »Ich ahne, was Sie jetzt verspüren: Ein Gefühl der Hilflosigkeit, ein Gefühl, im Meer zu treiben, ohne Ruder, das Sie auf Kurs bringt. Ich war Ihr Ruder, und ich werde nicht bei Ihnen sein; daran kann ich nichts ändern. Aber glauben Sie mir, wenn ich Ihnen sage, daß Sie nicht hilflos sind. Sie werden Ihren Weg finden.«
    »Nach Zürich«, fügte der Patient hinzu.
    »Nach Zürich«, pflichtete der Arzt ihm bei. »Hier, ich habe Ihnen in diesem Öltuch ein paar Dinge eingewickelt. Schnallen Sie es sich um die Hüfte.«
    »Was ist da drin?«
    »Sämtliches Geld, das ich habe; etwa zweitausend Franc. Es ist nicht viel, aber immerhin können Sie damit was anfangen. Und mein Paß, falls er Ihnen nützt. Wir haben etwa das gleiche Alter. Er ist bereits vor acht Jahren ausgestellt worden. Lassen Sie ihn von niemandem genau ansehen. Es ist nur ein offizielles Papier.«
    »Und was werden Sie tun?«
    »Falls ich nichts mehr von Ihnen hören sollte, werde ich ihn schon nicht mehr brauchen.«
    »Sie sind ein anständiger Mann.«,
    »Ich glaube, das sind Sie auch ... so wie ich Sie kennengelernt habe, aber ich habe Sie natürlich vorher nicht gekannt. Für jenen Mann kann ich mich also nicht verbürgen. Ich wünschte, ich könnte das, aber es geht einfach nicht.«
    Der Mann lehnte an der Reling und verfolgte, wie die Lichter von Ile de Port Noir in der Ferne verblaßten. Das Fischerboot steuerte in die Dunkelheit hinein, so wie er vor fast fünf Monaten in die Finsternis gestürzt war ... und jetzt in eine neue Finsternis fiel.

3.
    An der Küste Frankreichs waren keine Lichter zu sehen. Der fahle Schein des sterbenden Mondes beleuchtete das felsige Ufer nur in seinen Umrissen. Sie waren zweihundert Meter vom Land entfernt, und das Boot tanzte leicht in der schwachen Strömung der Bucht. Der Kapitän deutete über die Reling.
    »Dort,
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