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"Die Bombe is' eh im Koffer"

"Die Bombe is' eh im Koffer"

Titel: "Die Bombe is' eh im Koffer"
Autoren: A Lucchesi
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wir nichts vergessen hatten, und fand etwas, das ein Passagier liegen gelassen hatte: eine Tüte aus dem Duty-free-Shop. In der Tüte waren eine Flasche guter, aber nicht superguter Whisky, und eine Stange Marlboro.
    Ordnungsgemäß hätte die Tüte aufs Fundbüro gehört. Aber diese Stange Zigaretten blinzelte so verführerisch, dass ich von einem Bein aufs andere trat. Ich guckte den Transitgang auf und ab. Ich war allein mit dem Tütchen, kein Mensch war zu sehen. Ich habe so lange mit meinem Gewissen gerungen, bis eine Kollegin kam.
    » Was hast ’n du da?«
    » Na ja, die Tüte hier, die hat jemand stehen lassen…«
    Sie sah sich um. Den Gang entlang nach vorn, dann nach hinten.
    » Klare Sache– die ist uns!«
    Das war ein Angebot. Die Kollegin hätte hinterher immer behaupten können, sie hätte einen blöden Witz gemacht. Jetzt war es meine Sache, Stellung zu beziehen. Den Witz abzunicken– oder zu beenden, indem ich empört protestierte.
    Dazu war ich nicht prinzipienfest genug. Ich entschied mich für eine ziemlich windelweiche Zwischenlösung und sagte nichts. Das konnte man als stummes Einverständnis werten. Andererseits griff ich aber auch nicht zu. Was ganz günstig war, weil jetzt einige befreundete Kollegen des Weges kamen.
    » Was habt ihr denn da Schönes?«
    » Whisky, Zigaretten«, zählte die Kollegin strahlend auf, » das wird brüderlich geteilt!«
    So schnell konnte man nicht gar nicht gucken, da war die Sache gegessen. Mit dem Whisky gingen die Mädels auf die Toilette und füllten ihn– Whiskyfreunde lesen jetzt bitte weg– in zwei Halbliterflaschen, in denen vorher Fanta gewesen war, und die Stange Marlboro war ratzfatz aufgerissen. Und schon ging’s hier nicht mehr um das Aneignen einer ganzen Stange Zigaretten, sondern nur noch einer Schachtel oder zwei. Einer Schachtel, die genauso aussah wie die, die ich sowieso dabeihatte. Die ich auch gekauft haben konnte. Also nahm ich mir eben zwei Schachteln.
    Tja, und jetzt dürfen Sie mitgrübeln:
    Wo genau hätten Sie zugegriffen?
    Später, wenn Ihnen jemand nur eine der Zigaretten angeboten hätte?
    Oder einen Schluck Whisky?
    Oder hätten Sie früher zugegriffen, als noch die ganze Stange zu haben war?
    Und nicht schummeln!
    Diese Versuchungen prasseln unablässig auf alle ein, die hier arbeiten. Und die Übergänge sind keineswegs immer so schleichend. Ich erinnere mich, dass ich eines Tages mit einer Menge neuer, junger Kollegen Dienst hatte, als ein weiterer Kollege zu uns kam und verkündete:
    » Aufgepasst: Wenn jemand was braucht, sagt er bei uns Bescheid. Bevor irgendwer hier einen Laptop oder so kauft, bitte bei mir melden. Halber Einkaufspreis, alles klar?«
    Ich nahm den Herrn dann mal unauffällig zur Seite und fragte ihn:
    » Sag mal, hast du sie noch alle? Du kennst hier kein Schwein und posaunst herum, was du alles vertickst– spinnst du komplett?«
    » Was soll die Aufregung«, sagte er, » das machen doch alle. Das ist doch quasi schon offiziell!«
    So ganz offiziell war’s denn doch nicht, einige Wochen später sind einige Herrschaften gegangen worden. Aber ganz abgesehen davon, dass der Mann seinen Job riskierte– wie konnten die Anfänger bei uns irgendetwas anderes denken als: » Da schau her, jetzt sagt es sogar schon der routinierte Kollege. Dann kann’s ja nicht so schlimm sein, wenn man mal was mitnimmt.«
    Bitte?
    Also langsam bin ich richtig stolz auf Sie.
    Sie sind der anständigste Leser, den man sich nur wünschen kann! Ich hätte jetzt längst gefragt, wie man denn nun den Kollegen …
    Und Sie fragen nach der Aufsicht.
    Sind Sie denn überhaupt nicht neugierig?
    Gar kein kleines bisschen? Also so was …
    Natürlich gibt es eine Aufsicht. Die Aufsicht ist der Einsatzleiter. Der Einsatzleiter ist ein Mann, der im Monat– wie bereits erwähnt– 100 Euro mehr verdient als wir. Ein oder zwei Euro mehr pro Tag immunisieren einen natürlich keinen Deut besser gegen Anfechtungen aller Art. Ich erinnere mich noch an einen Einsatzleiter, der sofort versucht hat, sich einen an der Kontrolle vergessenen Ferrari-Laptop zu sichern. Er hat ihn in seinen Raum gebracht (was erlaubt ist), er hat ihn ein wenig versteckt aufbewahrt (was noch nicht verboten ist), wo ihn dann ein Kollege entdeckte– was zu unbequemen Nachfragen führte. Ein Beweis war das immer noch nicht, ab da verdiente er allerdings wieder 100 Euro weniger im Monat, brutto. Es gibt aber eine noch schönere Geschichte, die verdeutlicht, wie die
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