Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie
Autoren: Cody Mcfadyn
Vom Netzwerk:
von meinem Matt und meiner Alexa, den Lieben meines Lebens. Die Narben, die mein Gesicht und meinen Körper entstellen. Die Erinnerungen, die mein Herz zerreißen und fast meine Seele verkrüppelt hätten. Monate voller Alpträume. Monate des schreienden Erwachens. Ozeane voller Tränen. Begräbnisse, Grabsteine, der Geruch von Friedhofserde. Zigaretten und Verzweiflung und die Freundlichkeit von Fremden.
    Dieses Ungeheuer, das am anderen Ende der Leitung vor sich hin grinst, hat eine Spur der Verwüstung und Vernichtung hinter sich hergezogen. Don Rawlings. Ich. Bonnie. Es hat unsere Hoffnung in der Hand zerkrümelt wie Brot, und es hat die Krumen an Kreaturen verfüttert, die durch die Dunkelheit kriechen. Es hat sich an unserem Schmerz gelabt wie ein leichenfressender Dämon an einem Grab.
    Er ist nicht alles Böse auf der Welt, das weiß ich. Doch im Augenblick ist er die Quelle alles Bösen in meiner Welt. Er ist meine Vergewaltigung, Matts Schreien, der Ausdruck von Überraschung im Gesicht meiner Tochter, als meine Kugel sie tötete. Er ist die toten Babys in Dan Rawlings Träumen, er ist der grauenvolle Mord an meiner Jugendfreundin, er ist die Ursache, dass Callie im Hospital liegt, der Grund für die graue Erschöpfung seiner Mutter, die einsam verwelkt wie eine alte Rose.
    »Wo sind Sie?«, fauche ich.
    Ich kann sein Grinsen hören. »Ich schätze, ich hab einen wunden Punkt getroffen, wie? Gut.« Er zögert. »Es war Ihr letzter Test, Smoky. Nur wenn Sie Sands überleben konnten, waren Sie wirklich mein Abberline.« Seine Worte klingen beinahe freundlich.
    Melancholisch.
    »Wo sind Sie?«, wiederhole ich.
    Er lacht auf. »Ich werde Ihnen gleich sagen, wo ich bin. Zuerst jedoch möchte ich Ihnen jemanden vorstellen. Sag guten Tag zu Agent Barrett.«
    Ich höre, wie das Telefon am anderen Ende an jemandes Ohr gehalten wird. »S-Smoky?«
    Ein Schock durchfährt mich wie ein elektrischer Schlag. Es ist Elaina.
    Die Ereignisse haben sich derart überstürzt, dass wir Keenan und Shantz noch nicht ersetzt haben. Ich verfluche mich für diesen Fehler. Wie dumm, wie töricht, wie unendlich töricht!
    »Ich habe sie hier bei mir, Smoky. Zusammen mit jemand anderem, noch ein wenig jünger. Jemandem, der nicht am Telefon reden kann, weil … nun ja, weil sie zurzeit überhaupt nicht redet.« Er lacht. »Ist das nicht ein Déjà-vu?«
    Ich ertrinke. Ich bin umgeben von Luft, doch ich kann nicht atmen. Die Zeit bewegt sich im Rhythmus meines Herzschlags, ein langes, langsames Bumm-bumm nach dem anderen. Es ist nicht Angst, was ich empfinde, es ist Entsetzen. Ein seelenerdrückendes, eingeweidezerreißendes, hysterisches, hohles Entsetzen. Ich bin überrascht, dass meine Stimme ruhig klingt, als ich spreche.
    »Wo sind Sie, Peter? Sagen Sie mir nur, wo Sie sind, und ich komme Sie holen.« Ich bitte ihn nicht, den beiden nichts zu tun. Ich würde ihm sowieso nicht glauben, selbst wenn er es verspräche.
    »Hier sind die Regeln, Smoky. Ich bin in meinem Haus. Elaina ist nackt und an mein Bett gefesselt. Die kleine Bonnie kuschelt sich in meine Arme. Klingt das bekannt? Falls Sie nicht in fünfundzwanzig Minuten hier sind, werde ich Elaina töten, und zumindest für Bonnie werden die Dinge dann sehr bekannt ablaufen. Sollte ich irgendjemanden von der Polizei oder von den SWAT-Teams sehen oder auch nur den Verdacht hegen, dass sie da sind, töte ich alle beide. Sie können Ihr Team mitbringen, doch ansonsten ist es eine Sache zwischen Ihnen und mir, Smoky. Haben Sie verstanden?«
    »Ja.«
    »Gut. Die Uhr fängt an zu ticken – jetzt.«
    Er legt auf.
    »Was zur Hölle ist los?«, will Alan wissen.
    Ich antworte nicht. Sehe Alan nur an. Seine Augen sind ernst, besorgt, bereit. Alan war immer bereit. Insbesondere, wenn es darum ging, sich als Freund zu erweisen. Ich spüre meinen eigenen Atem. Ein und aus. Ein und aus. Ein und aus.
    Eine große, distanzierte Ruhe erfasst mich. Ich bin an einem Strand, allein, mit einer Muschel, die ich mir ans Ohr halte. In der Muschel rauscht das Meer. Ist das der Schock?, frage ich mich.
    Ich denke nicht. Ich denke ganz und gar nicht, dass dies der Schock ist. Es ist Hillstead. Er bekommt endlich, was er die ganze Zeit wollte.
    Mich – so, wie er selbst ist. Bereit, ohne Zögern zu morden, ohne Nachdenken, ohne Bedauern, ohne moralische Bedenken. Bereit zu töten, als wäre es das Einfachste auf der Welt. Wie Unkrautrupfen.
    Ich lege Alan die Hände auf die Schultern, sehe zu ihm auf,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher