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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Terraner das Zugeständnis gemacht, daß einige der Artikel auf Ständern und Tischen zur Schau gestellt waren. Als Kerwin unter dem äußeren Bogen hindurchging, weiteten sich seine Nasenlöcher. Er hatte einen bekannten Duft wahrgenommen, einen Hauch wohlriechenden Rauchs. Das war der Weihrauch, der jedes darkovanische Heim von der Hütte bis zum Palast parfümierte. Er war im Waisenhaus der Handelsstadt nicht benutzt worden, nicht offiziell, aber die meisten Pflegerinnen und Hausmütter waren Darkovanerinnen, und der Geruch saß in ihren Haaren und ihrer Kleidung fest. Ellers krauste die Nase und machte »Puh!«, aber Kerwin lächelte. Es war das erste, was er in einer ihm fremd gewordenen Welt wiedererkannt hatte.
    Der Ladenbesitzer, ein kleiner, verschrumpelter Mann in einem gelben Hemd und Breeches, wandte sich ihnen zu und murmelte gedankenlos: » S’dia Shaya .« Es bedeutete: Ihr erweist mir Gnade , und ohne darüber nachzudenken, antwortete Kerwin mit einer ebenso bedeutungslosen höflichen Formel. Ellers machte große Augen.
    »Ich wußte nicht, daß du die Sprache beherrschst!«
    »Ich spreche nur den Stadtdialekt.« Der kleine Mann drehte sich zu einem Ständer mit farbenfreudigen Mänteln, Wämsen, seidenen Westen und Jacken um, und Kerwin, entgeistert über sich selbst, verlangte kurz auf Terra-Standard: »Nichts dergleichen. Kleidung für Terranan , Bursche.«
    Er konzentrierte sich darauf, Kleidung auszusuchen, daß er ein paarmal zum Wechseln hatte – Unterwäsche, Nachtzeug, nur soviel, daß er ein paar Tage damit auskam, bis er festgestellt hatte, was für seine Arbeit und das Klima am geeignetsten war. Da waren furchtbar schwere Parkas, bestimmt für Touren in den Kletter-Reservaten von Rigel und Capella Neun, gefüttert mit synthetischen Fasern, die die Bewahrung der Körperwärme bei minus dreißig Grad und noch darunter garantierten. Achselzuckend lehnte Kerwin sie ab, obwohl der zitternde Ellers bereits einen gekauft hatte und ihn anzog. So kalt war es nicht einmal in den Hellers, und hier in Thendara schien ihm das Wetter für Hemdsärmel geeignet zu sein. Mit gedämpfter Stimme warnte er Ellers davor, Rasierzeug zu kaufen.
    »Teufel, Kerwin, willst du dir einen Bart wachsen lassen und dich unter die Eingeborenen mischen?«
    »Nein, aber du bekommst etwas Besseres an den Buden innerhalb des HQ. Darkover ist arm an Metallen, und was sie haben, ist nicht so gut wie unseres und kostet eine Menge mehr.«
    Während der Ladenbesitzer ihre Einkäufe verpackte, schlenderte Ellers zu einem Tisch nahe dem Eingang.
    »Was ist denn das, Kerwin? Ich habe noch nie jemanden auf Darkover gesehen, der so etwas anhatte. Ist es ein darkovanisches Eingeborenen-Kostüm?«
    Kerwin zuckte zusammen. Darkovanisches Eingeborenen-Kostüm war ebenso wie die darkovanische Sprache ein Konzept, das es nur in den Vereinfachungen der Außenseiter aus dem Imperium gab. Er selbst wußte von neun darkovanischen Sprachen – allerdings konnte er nur eine gut sprechen und kannte ein paar Ausdrücke aus zwei anderen –, und in der Kleidung gab es auf Darkover gewaltige Unterschiede, von den Seiden und feingesponnenen Tuchen der Tieflande bis zu dem groben Leder und den ungefärbten Fellen der fernen Berge. Er trat zu seinem Freund an den Tisch, auf dem ein Durcheinander von Kleidungsstücken lag, alle mehr oder weniger abgetragen, hauptsächlich die üblichen einfachen Hosen und Hemden der Stadt. Doch Kerwin sah sofort, was Ellers Augen auf sich gelenkt hatte. Es war ein sehr schönes Stück, grüne und dunkelgelbe Töne gingen ineinander über, und es war in Mustern, die ihm bekannt vorkamen, reich bestickt. Er hielt das Kleidungsstück hoch und sah, daß es ein langer Kapuzenmantel war.
    »Das ist ein Reitmantel«, erklärte er. »Man trägt sie in den Kilghardbergen, und der Stickerei nach hat er wahrscheinlich einem Edelmann gehört. Das könnten seine Hausfarben sein, obwohl ich nicht weiß, was sie bedeuten oder wie das Ding hierhergekommen ist. Die Mäntel halten warm und sind besonders beim Reiten bequem. Aber schon, als ich noch ein Kind war, kamen Mäntel dieser Art hier unten in der Stadt aus der Mode; solches Zeug …« – er wies auf den importierten Synthetik-Parka, den Ellers trug – »… war billiger und ebenso warm. Diese Mäntel sind handgefertigt, handgefärbt, handbestickt.« Er nahm Ellers den Mantel ab. Es war kein gewebtes Tuch, sondern weiches, geschmeidiges Leder, fein wie Wolle, dehnbar wie Seide
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