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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hell. Sie gelangten in einen
großen Raum, der gleichzeitig als Wohn- und Schlafraum und als
Küche zu dienen schien, wie es bei einfachen Gebäuden und Bauernhöfen in diesem Teil des Landes üblich war. Der Geruch nach Vieh
und nassem Holz, das viel zu früh zum Feuern verwendet worden
war, lag in der Luft, und von irgendwo her glaubte er auch, das unwillige Muhen einer einzelnen Kuh zu vernehmen. Er hörte weder
das Grunzen von Schweinen noch das Gackern von Federvieh, auch
roch er keine Pferde oder Ziegen. Abu Dun und er tauschten einen
raschen Blick der Verständigung, während sie hintereinander durch
die niedrige Tür traten. Was auch immer dieses Gebäude darstellte -
ein Bauernhof war es jedenfalls nicht.
    »Sucht Euch einen warmen Platz am Feuer«, forderte Ulric sie auf,
während er atemlos vorauseilte und eine schmale Treppe im hinteren
Teil des Raumes ansteuerte, die so steil in die Höhe führte, dass Andrej nicht sicher war, ob es sich nicht eher um eine breite Leiter handelte. Schon auf halbem Wege versuchte er, sich den linken Stiefel
auszuziehen, wodurch sein Gang zu einem grotesk anmutenden Hüpfen wurde. So etwas machte er nicht zum ersten Mal, dachte Andrej.
Auch der Rest seiner Söhne, Knechte, oder was auch immer sie waren, durchschritt erstaunlich schnell den großen Raum und verschwand hinter einer Tür. Schon nach wenigen Augenblicken waren
Abu Dun und er allein - abgesehen von Stanik, der sich mit finsterem
Gesicht und vor der Brust verschränkten Armen an die Wand neben
dem Eingang lehnte und sie wütend musterte.
    Andrej bedauerte es mittlerweile, Ulrics Einladung gefolgt zu sein,
aber nun war es zu spät, um einen Rückzieher zu machen. In spätestens einer Stunde würde die Sonne untergehen, und er verspürte wenig Lust, die halbe Nacht im Sattel bei Temperaturen zu verbringen,
die schon das Luftholen zur Qual machten.
    Darüber hinaus lag neben all dem Qualm und Tiergestank noch ein
anderer Geruch in der Luft, der Andrej schier das Wasser im Munde
zusammenlaufen ließ - der Geruch von gebratenem Fleisch und
frisch gedünstetem Gemüse, ganz schwach nur, aber doch intensiv
genug, dass es Andrej einige Mühe kostete, seinen Magen nicht hörbar knurren zu lassen.
    Abu Dun hatte weitaus weniger Hemmungen. Schnaubend platzierte er seine gewaltige Körpermasse vor dem großen Ziegelofen in der
Mitte des Raumes, streckte die Hände in Richtung der trockenen
Wärme aus und wandte sich zugleich mit einem übertriebenen Stirnrunzeln an Stanik. »Irre ich mich, oder hat dein Vater etwas von Essen gesagt?«, fragte er.
    Staniks Blick wurde noch finsterer. Er faltete die Arme halb auseinander, als ob er sich jeden Moment wütend auf den Nubier stürzen
wolle, ließ sich aber dann wieder mit Kopf und Schultern gegen die
Wand sinken und begnügte sich damit, Abu Dun trotzig anzufunkeln.
»Könnt Ihr denn dafür bezahlen?«, fragte er herausfordernd.
    »Wenn du das Geld eines Mohren nimmst…« Abu Dun hob mit einem breiten Grinsen die Schultern, während Stanik aussah, als treffe
ihn jeden Moment der Schlag.
    Andrej seufzte lautlos. Er sparte es sich, irgendetwas zu Abu Dun
zu sagen - das hätte die Lage nur weiter verschlimmert. Dabei hatte
Stanik großes Glück, dem ehemaligen Sklavenhändler und Piraten
nicht einige Jahrzehnte früher begegnet zu sein. Damals hätte Abu
Dun ihm allein für die Blicke, die er ihnen zuwarf, das Genick
gebrochen.
    »Wir können bezahlen«, sagte Andrej in einem Ton, von dem er
zumindest hoffte, dass Stanik ihn als versöhnlich empfand. »Und wir
sind deinem Vater auch äußerst dankbar, dass er so freundlich war,
uns einen Platz unter eurem Dach anzubieten. Der Winter kommt
früh in diesem Jahr. Und ich glaube, er wird sehr hart.«
    Stanik presste die Lippen zu einem dünnen, blutleeren Strich zusammen, aber er schwieg. Er hatte den Wink verstanden, und wenn
schon nicht die Furcht vor Abu Duns gewaltigen Muskeln und Andrejs Schwert, so hielt ihn doch zumindest der Respekt vor seinem
Vater davon ab, die beiden unwillkommenen Gäste weiter zu provozieren. Er beließ es dabei, Abu Dun noch einen Moment lang anzufunkeln, dann senkte er mit einem Ruck die Arme und stapfte wütend
davon. Die lieblos gezimmerte Brettertür, durch die er verschwand,
war zu leicht, um sie hinter sich zuzuwerfen, aber es gelang ihm immerhin, den Eindruck zu erwecken, er habe es getan.
    Abu Dun blickte ihm kopfschüttelnd nach. »Was für ein Idiot«, sagte
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