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Die blutende Statue

Die blutende Statue

Titel: Die blutende Statue
Autoren: Pierre Bellemare
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kann man Poesie, einen Traum oder ganz einfach Glück mit Geld gar nicht bezahlen.
     

Ein stattlicher Besitz
     
    Vereinigte Staaten, 1864. Roy Anderson Gravis gehörte zur Armee der Konföderierten. Als Soldat aus dem Süden, als ein vom Glück begünstigter Soldat, wurde er von seinen weniger glücklichen Kameraden sehr geschätzt. Er konnte hervorragend mit dem Gewehr umgehen und besaß zudem ein nützliches Talent: Er konnte Papiere fälschen. In jener unruhigen Zeit, als es schwierig war zu unterscheiden, welcher Soldat zum Süden und welcher zum Norden gehörte, war ein solcher Mann, der falsche Pässe herstellen konnte, sehr wertvoll.
    Nach Beendigung des Sezessionskriegs kehrte Gravis nach San Francisco in Kalifornien zurück, wo er seine Talente auf vielfältige Weise nutzte. Er versuchte sich im Journalismus, verkaufte Werbeflächen und lauerte, wie die meisten Abenteurer, die damals die Westküste unsicher machten, auf die beste Gelegenheit, um reich zu werden.
    So stieß Gravis eines Tages auf eine wunderbare Geschichte, die Abenteurer aller Herkunft zum Träumen brachte. Es ging um das Polvonegro-Erbe. Dabei handelte es sich um eine fantastische Geschichte, die sich vor anderthalb Jahrhunderten zugetragen hatte. Die Familie Polvonegro, die von einem Hidalgo und der Tochter eines spanischen Eroberers abstammte, besaß im Norden Mexikos, also in der Gegend, um die Mexiko und die Vereinigten Staaten mit Waffengewalt gekämpft hatten, einen unermesslich großen Landbesitz. Nach der Schlacht von Alamo, bei der der berühmte Davy Crockett umkam, regelten sich die Dinge, wenn auch nicht unbedingt für die Toten. Die beiden Länder unterzeichneten einen Vertrag und die Vereinigten Staaten, nunmehr im Besitz dieses Gebietes, das einen Teil von Arizona und Neu-Mexiko einnimmt, akzeptierten offiziell, die Territorialrechte der Privateigentümer, die bei dieser Landübernahme erfolgt waren, anzuerkennen. Die Rechte der Familie Polvonegro bestanden also noch, aber sie waren, so heißt es, mehr oder weniger in Vergessenheit geraten. Es gab keinen Erben in dieser Familie, der das, was eine wahre Goldgrube hätte sein können, in Empfang nehmen würde. Gravis, geduldig und peinlich genau, sagte sich, dass er dank einer gewissen Organisation einen idealen Erben abgeben könnte. Er beschäftigte sich eifrig mit allen Vorarbeiten. Zuerst reiste er nach Mexiko, wo er sich jene Dokumente beschaffte, die offiziell die Rechte der Polvonegros anerkannten. Allerdings stellte er fest, dass diese alten Pergamente mit den blumigen Unterschriften als solche ihm keinen müden Dollar einbringen würden. Doch stellten sie immerhin eine gute Grundlage dar. Er suchte daraufhin unter der einheimischen Bevölkerung nach einem jungen Mädchen, das ihm bei seinen Plänen nützlich sein könnte. Sie musste eine Schönheit sein, Analphabetin und ohne Familie. Als er ein solches Mädchen gefunden hatte, begab er sich mit ihm zu einem mexikanischen Kloster, wo er es den Nonnen anvertraute, die aus ihm eine kultivierte junge Dame machen sollten.
    Anschließend durchstöberte Gravis die Bibliotheken, Archive und Gemeinderegister. Jedes Mal bat er darum, die Dokumente einsehen zu dürfen. Dann holte er diskret sein Fälscherwerkzeug hervor, kratzte, löschte aus, korrigierte und fügte ohne den geringsten Skrupel etwas hinzu. Gleichzeitig kopierte er sie und ließ sich eine Menge Dokumente bescheinigen, die nach und nach den geheimnisvollen Stammbaum der Familie Polvonegro aufbauten. Er zögerte nicht, auf die Berge zu klettern, die über Phoenix thronten, und, bewaffnet mit einem Meißel, versah er die Felsen mit Inschriften, die in antiquiertem Stil die so genannte Grenze des Landgebiets markierten, das den Polvonegros von den spanischen Königen zugesprochen worden war.
    Eines Tages fuhr Gravis mit dem Schiff nach Spanien und ging in Sevilla an Land. Es war 1880 und er hatte keinerlei Schwierigkeiten, in die öffentlichen als auch kirchlichen Archive der Stadt zu gelangen, indem er vorgab, einige Nachforschungen betreiben zu müssen. Kaum ließ man ihn mit den alten, ledergebundenen Bänden allein, kratzte und korrigierte er und fügte ihnen etwas hinzu. Und auch hier ließ er sich authentische beglaubigte Abschriften der Dokumente geben, die er »zusammengestellt« hatte.
    Schließlich wurde es Zeit für ihn, in das Kloster zurückzukehren und Pilar, das junge Waisenmädchen, das an Schönheit und Weisheit zugenommen hatte, abzuholen. Sie
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