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Die Blut-Loge

Die Blut-Loge

Titel: Die Blut-Loge
Autoren: Carola Kickers
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Treuegelübde der „Sangue Ombra“ ab. An diesem besonderen Tag waren alle Anwesenden in festliche Umhänge gekleidet. Diesmal hatten sie sich nicht in einem nüchternen Konferenzraum getroffen. Nein, die Zeremonie fand um Mitternacht und bei Vollmond in den altehrwürdigen Hallen von St. Annas Castle statt, das ein angemessenes Ambiente für eine solche Einweihung bot und ein jahrhundertealtes Refugium der Loge war. Es war sein Geburtshaus. Heute war der Tag seiner Bluttaufe. Als vollwertiges Logenmitglied musste er sich erst als würdig erweisen. Er wurde nicht mit Fertignahrung abgespeist, sondern musste sein erstes Opfer selbst erlegen.
     
    Am Abend hatten alle Logen-Vampire das Schloss verlassen, nur Bela war zurückgeblieben. Nach ihrem Abzug hatte Ruben, sein Vater, eines der Kellerverliese geöffnet. Dort kauerte ein hilfloses Wesen namens Angela. Einundzwanzig Jahre jung und ehemals Au-Pair-Mädchen in Edinburgh. Die „Leftovers“ hatten sie eines Nachts auf dem Heimweg von einer Party entführt.
    Angelas Blut war rein und unschuldig.
    „Geh!“, sagte der alte Vampir mit dem Gehstock jetzt zu dem zitternden, jungen Ding, das ihn mit großen rehbraunen Augen flehend anstarrte. „Du bist frei, wenn du das Schloss bis zum Morgengrauen verlassen kannst.“
    Ungerührt wandte er sich um und ging davon. Im Vorbeigehen warf er noch einen seltsam sehnsüchtigen Blick auf ein anderes Verlies, dessen schwere Holztür nur von einem kleinen Gitterfenster unterbrochen wurde. Zwei eiserne Riegel hielten die Tür verschlossen. Ruben warf einen kurzen Blick hinein.
    Da lag sie – mit einer schweren, silbernen Kette an einen Metallring in der Wand gefesselt, geschunden, mit zerfetzter Kleidung. Das lange, helle Haar fiel in ungepflegten Strähnen über ihr Gesicht. Es war Estelle. Die Vampire hatten sie nicht ganz getötet. Sie hatten Rubens Wunsch erfüllt, sie leiden zu sehen – auf ewig. Doch der Anblick der halbtoten Vampirin gab ihm nicht das, was er sich erhofft hatte.
    „Estelle!“, rief er nun ihren Namen durch das Gitter. „Unser Sohn ist hier, und er gehört bald ganz zu uns. Meine schöne Valerie hat ihn gewandelt! Heute Nacht wird er zum ersten Mal töten! Dann wird seine Seele für immer verloren sein. Hörst du, Estelle? Dein Opfer war umsonst, völlig umsonst!“
    Ein heiser krächzendes Lachen kam aus seiner Kehle, als er den Gang hinunter zur Treppe ging.
     
    Estelle hob den Kopf. In der violettblauen Tiefe ihrer Augen begann es, zu glühen. Sie hatte die Worte wohl gehört, jedes davon traf ihr Herz wie ein vergifteter Pfeil. Wieder waren ihr die Tränen verwehrt.
    Aber sie konnte hassen – abgrundtief hassen. Und dieser Hass gab ihr nun die Kraft, an den schweren, silbernen Ketten zu reißen, die normalerweise jeden Vampir bannten, bis der eiserne Haltering aus der gemauerten Wand sprang. Sie richtete ihren narbenübersäten Körper auf, der seit Monaten nur wenige Tropfen Blut erhalten hatte – größtenteils das von Ratten – und ging mit schwankenden Schritten zu ihrer Gefängnistür.
     
    Ruben Stark war stolz auf seinen Sohn, auch wenn Bela kein geborener Vampir mehr war. Ein jugendlicher, attraktiver Mann, der in seinem Alter über mehr Wissen und Macht verfügte, als es vielleicht gut für ihn gewesen wäre. Er hatte seinen Sohn zurück gewonnen. Allerdings würde seine Linie mit Bela erlöschen, denn als Gewandelter würde er selbst kein Kind zeugen können. Das war der einzige Wermutstropfen im Plan von Ruben Stark. Aber das spielte heute Abend keine Rolle.
    Bevor auch er das Schloss verlassen würde, hatte er Bela die Regeln des Spiels erklärt. Das Mädchen Angela konnte sich frei bewegen im Schloss, sich verstecken oder ihn sogar bekämpfen. Seine Aufgabe war es nur, an das kostbare Lebenselixier in ihren Adern zu kommen. Egal, wie. Bela lächelte nur. Die Grausamkeit seines Vaters lag bereits in seinen Genen. Und er hatte Durst!
    Angela dagegen hatte Angst. Seit Tagen hockte sie in dieser düsteren Zelle, vom Gang her drang nur der Schein der Fackeln durch das kleine vergitterte Fenster hinein. Ihr hübsches, blaues Kleid war verschmutzt. Sie hatte geschrien, gebettelt und geweint. Aber man hatte ihr nur Essen durch eine Klappe unten in der Türe hingeschoben.
    Einmal hatte sie ein schönes Frauengesicht mit grünen Augen am Gitter erkannt. „Keine Angst“, hatte die Frau gesagt, „es ist bald vorbei.“ Dann war die Frau wieder gegangen.
     
    Mittlerweile hatten Angelas
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