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Die Blume der Diener

Die Blume der Diener

Titel: Die Blume der Diener
Autoren: Delia Sherman
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um seinen eigenen Topf kümmerte und nicht die Absicht hatte, seinen Löffel in die Suppe des Nachbarn zu stecken. Wenn er über seine Herkunft befragt wurde, lächelte er und schüttelte den Kopf; wenn man ihm einen Humpen Bier oder einen Platz beim Würfelspiel anbot, lehnte er höflich ab. Seine persönlichen Gewohnheiten waren so schamhaft wie die eines Mönchs und er gab nie auch nur einen roten Heller von seinem Lohn in den Tavernen oder Bordellen von Cygnesbury aus.
    Aber obwohl William Flower reinlich war und ein gutes Leben führte, war er nicht wohl gelitten. Dick Talbot nannte ihn einen Griesgram und Spaßverderber, dem es Freude bereite, die gute Laune anderer zu dämpfen. Hugh Tusser, der Bäcker, tat ihn als stolz und kalt ab, als regelrechten Hochnasenträger, der sich lieber in der Gesellschaft des Schlosses als in der Gesellschaft der Küche sah. Hal Clemin hielt ihn für einen heimlichtuerischen Nichtsnutz, der alle Geheimnisse nur vortäuschte.
    Während des ganzen Winters erhielt William nur von Ned Unterstützung. Er schmeichelte Mistress Rudyard, seiner Mutter, ein zweites Betttuch sowie eine Bahn sauberes Linnen für eine neue Rippenbandage ab. Er brachte William alle benötigten Gewürze, Fleischsorten, Mehle oder Fette. Er verteidigte ihn gegen alle Anklagen der Gefühlskälte und schlug jeden Jungen nieder, der sich über Williams Bescheidenheit lustig machte. Am Ende ernannte sich Ned zu Williams Fürsprecher und persönlichem Küchenjungen und als Gegenleistung führte William ihn in die höheren Geheimnisse der Kochkunst ein.
    Das war eine Belohnung, die sowohl angenehme als auch schmerzliche Seiten hatte. Wenn Master Hardy Ned bei einer Tätigkeit erwischte, die einem Küchenjungen nicht anstand – wenn er zum Beispiel Punsch aus Milch und Wein durchseihte oder einen Würztrunk mischte –, verpasste er ihm einige saftige Ohrfeigen und schickte ihn fort, um Gemüse zu putzen oder ein Hühnchen zu rupfen. Diese Schläge ertrug Ned leichten Herzens. Es gehörte sich für den Meisterkoch, den Küchenjungen von Zeit zu Zeit zu schlagen, und sei es nur, um so den Staub aus seinem Wams zu schütteln. Weitaus schwerer zu ertragen waren die Sticheleien seiner früheren Kameraden. ›Speichellecker‹ nannten sie ihn und beneideten ihn um die Kenntnisse, die ihm Master Flower verschaffte. Wenn sie ihn aber ›Ganymed‹ und ›Blumenbub‹ riefen, errötete Ned tief und schwor, er werde ihnen die Nase blutig schlagen. ›Ganymed‹ und ›Blumenbub‹ waren die Bezeichnungen für die hübschen männlichen Huren, welche von Master Giles Ling im Haus mit dem Namen ›Landjunge‹ feilgeboten wurden.
    »Er ist freundlich und fein«, schleuderte Ned dem Bratenwender entgegen, der mit dem Spaß angefangen hatte. »Er redet nett mit mir, als wär’ ich ’n geborener Ehrenmann, und lehrt mich’s Kochhandwerk. Wenn ihn das zu ’nem Sodomiten macht, dann verkauf ich mich an den Landjungen und wett’, ich bin dort glücklicher als je in deiner Gesellschaft, Jack Priddy.«
    Trotz oder vielleicht auch wegen Neds höchst heldenhafter Bemühungen kicherten und tuschelten die Küchenjungen und Bratenwender weiter in den Ecken und bald teilten alle Köche, Unterköche und Lehrlinge ihre abfällige Meinung. Master Hardy hörte diesen Klatsch, so wie er das Quieken der Ratten hörte, die in der Speisekammer miteinander kämpften. Weder dem einen noch dem anderen schenkte er Beachtung. Er selbst mochte William Flower nicht, aber er hatte keinen Grund, schlecht von ihm zu denken. Obwohl der Junge dünn wie ein Rechen war, war er doch ein guter Koch und jemandem, der ein Händchen für Soßen und kunstvolle Teigwaren hatte, konnte man vieles verzeihen. Erst im Februar, kurz vor dem Fest des heiligen Matthias, bemerkte Master Hardy etwas, das in seiner Küche bereits seit Dezember bekannt gewesen war.
    Es war nach der Non, in der schlaffen Stunde zwischen Mittag und Abendessen. In der Küche war es ruhig. Ein Spanferkel drehte sich träge an einem der Spieße. Vier Lehrlinge hatten sich um den Kamineinsatz versammelt und kümmerten sich um die Soßen. Master Hardy beschäftigte sich mit dem Backen einer delikaten pyke en doucette und saß am kleinsten der Öfen. An einem langen Tisch errichtete William ein wunderbares entremets für das abendliche Gelage – es war ein Greif, der aus dem Körper eines Lamms und einem daran genähten Hähnchen bestand. Die Tiere waren bereits gefüllt und gebraten und nun gab
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