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Die blaue Sonne der Paksi

Die blaue Sonne der Paksi

Titel: Die blaue Sonne der Paksi
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Bord nehmen!“
    „Bitte, sag Raja, sie möchte ein Kissen nehmen und zu den beiden fliegen. Das Tier ist zu groß zum Tragen – na, zu groß vielleicht nicht, aber das Kissen ist erschütterungsfrei.“
    „Gut“, rief Hellen. „Ich freu mich!“
    „Ihr habt's gehört, Raja kommt gleich!“ sagte Ming zu Utta.
    „Ja, danke“, antwortete sie. „Sollen wir die Verbindung noch stehenlassen?“
    „Ja, ich möchte mir's noch ein bißchen ansehen!“ Er ging nachdenklich um das Stereobild herum, veränderte mehrmals den Ausschnitt, betrachtete einiges genauer – ja, Hellen hatte wohl Grund, sich zu freuen. Sie hatten selbstverständlich beschlossen, kein ersichtlich lebendes Wesen, Tier oder Pflanze, ohne Not zu verletzen. Mochte die Entwicklung noch so erdähnlich sein – genau konnte man ohne gründliche Erforschung des ganzen Planeten nie wissen, ob man nicht doch vielleicht gerade auf ein gesellschaftliches Wesen gestoßen war. Wenn sie aber nun ein totes Tier gefunden hatten, konnte die Sezierung tiefe Aufschlüsse über das organische Leben des Planeten liefern. Und das war endlich eine würdige Aufgabe für Hellen mit ihrer wissenschaftlichen Qualifikation als Biologin – falls es sich nämlich wirklich um ein Tier handelte. Ming zweifelte plötzlich daran, denn er hatte auf dem helleren Stereobild einiges gesehen, was Tondo und Utta möglicherweise noch nicht bemerkt hatten, aber er beschloß, sich vorläufig zurückzuhalten.
    Jetzt sah er, wie Raja auf dem unsichtbaren Gravitationskissen ins Bild schwebte. Sie stieg ab, begrüßte die beiden anderen und ging dann neugierig um den Fund herum.
    Ming freute sich, wie sorgsam die drei ans Werk gingen. Niemand berührte den Fund. Daraus, wie Raja die Finger auf ihrem Gürtel spielerisch hin- und hergleiten ließ, ersah er, daß sie das Kissen millimeterflach formte und vorsichtig unter den Fund schob. Dann hob sich der Körper langsam in die Höhe, die drei Sternfahrer stiegen auf, und das Kissen entschwebte mit ihnen aus dem Stereokreis.
     
    Hellen fühlte sich selbst müde, als Juri endlich schlief. Der kräftige, untersetzte Mann von etwa fünfzig Jahren war zwar sehr diszipliniert, aber der gemeldete Fund hatte die Entspannungsphase unterbrochen und ihn erregt, und auch Hellen war abgelenkt worden. Sie hatte ihre eigene Aufregung unterdrücken müssen, um Juri in gewohnter Weise beruhigen zu können. Gerade er hatte die meisten Schwierigkeiten mit dem Biorhythmus, der für ihn ausgearbeitet worden war. Aber das war charakterlich bedingt: Das Aufbegehren gegen äußere Zwänge, die er nicht oder noch nicht vollständig als innere Notwendigkeit akzeptiert hatte, war einer seiner prägnantesten Züge. Er wußte das selbst und litt gelegentlich darunter, weil die Einsicht meist eher da war als die gefühlsmäßige Identifizierung, und deshalb brauchte er in solchen Dingen ihre Hilfe.
    Jetzt hatte er endlich Schlaf gefunden, und Hellen hätte sofort aufstehen und zu den anderen gehen können, die sicherlich draußen schon ungeduldig warteten. Sie tat es nicht, denn sie spürte, daß sie noch nicht in der Gemütsverfassung dazu war. Sie konnte doch nicht mit mattem Herzen vor die Gefährten treten, die natürlich erwarteten, daß gerade sie als Biologin die größte Freude über den Fund zeigen würde!
    Sie hatte bereits drei-, viermal an sich bemerkt, daß sie mehr Zeit brauchte als früher, um sich auf eine neue Situation einzustellen, und sie wußte nun schon, daß es eine Begleiterscheinung des Übergangs zum Weisenalter war. Schon oft hatte sie von Älteren gehört, daß sich mit dem Eintritt in diesen Lebensabschnitt zugleich auch die ersten Vorboten des biologischen Alterns meldeten, aber sie hatte sich das bis vor kurzem nicht vorstellen können. Körperliche und intellektuelle Spannkraft ließen sich in der Regel bis hundertfünfzig erhalten, aber für die Elastizität der seelischen Vorgänge, dieser kompliziertesten Prozesse, gab es noch keine ausgereiften Trainingsmethoden.
    Hellen wandte das gleiche Verfahren an, das sich auch in anderen Fällen als erfolgreich erwiesen hatte: Sie dachte an die Zukunft, an ihre Zukunft, und sie wußte, das würde ein Gefühl tiefer Freude und Zufriedenheit auslösen. Sie hatte schon vor Antritt dieses ihres letzten Raumflugs alle Prüfungen abgelegt und die höchste Qualifikation errungen, von der ein Mensch träumen konnte. Manchmal behielten große Wissenschaftler und Künstler auch ihren früheren Beruf bei,
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