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Die Bibliothek des Zaren

Die Bibliothek des Zaren

Titel: Die Bibliothek des Zaren
Autoren: Boris Akunin
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Iwanowitsch Sergejew höchstpersönlich.
    »Ich bin’s, Mister Fandorin. Ihr Schutzengel.«
    Nicholas kam es so vor, als schwänge in der Stimme des Obersten Spott. Was hatte das zu bedeuten?
    »Meiner Meinung nach ist er tot«, meldete der Magister dem Oberst. »Sie haben Ihren Schlag falsch berechnet. Womit haben Sie ihn so zugerichtet?«
    »Hiermit«, antwortete der unsichtbare Wladimir Iwanowitsch, und neben Fandorin landete geräuschvoll etwas Metallisches auf dem Boden. Das Bruchstück eines Rohrs mit einer feuchten Stelle am gezackten Ende.
    All das hatte etwas Merkwürdiges.
    »Und wo sind Ihre Mitarbeiter?«, fragte Fandorin. »Wie hat er nur unbemerkt an Ihnen vorbeikommen können?«
    »Ich hab sie ziehen lassen, die Jungs, damit sie sich aufs Ohr hauen«, antwortete Sergejew gutmütig. »Ich hab mir gedacht, ich übernehme mal selber ihre Vertretung. Also was haben Sie nun gefunden, Mister Magister? Zeigen Sie mal.«
    Der Strahl kroch von Fandorins Gesicht weg, wanderte hierhin und dahin und stoppte auf dem vermoderten Bast, aus dem wieder fröhliche Funken hervorschossen.
    »Da haben wir das Schätzchen ja«, murmelte der Oberst. »Klein, aber fein, sonst würde sich Sedoi dafür kein Bein ausreißen.«
    »Sie haben also alles gewusst?«, fragte Nicholas nicht besonders intelligent. »Und Joseph Guramowitsch, der also auch?«
    Sergejew hängte sich noch weiter in das Loch, so dass sein Gesicht von unten angestrahlt wurde: Es war schwarz-weiß und unheimlich wie die Maske eines Bösewichts aus dem No-Theater.
    Lautlos in sich hineinkichernd, sagte Wladimir Iwanowitsch:
    »Sosso hat keine Ahnung, der ist ein Rindvieh, und in dieser Welt haben die Rindviecher nun mal kein Glück, mein lieber Sir. Sedoi dagegen ist ein Löwe. Ein Profi weiß immer, auf welche Seite er sich besser schlägt, besonders wenn er die Wahl hat zwischen Rindvieh und Löwe.«
    »Sie arbeiten also für Sedoi? Aber . . . aber warum haben Sie denn dann Schurik umgebracht?«
    »Ja, soll Oberst Sergejew vielleicht Schmiere stehen, damit Schurik die Beute dann alleine einsackt?«, empörte sich das Haupt des Sicherheitsdienstes und unterdrückte ein Kichern. »Da habt ihr einen schönen Blöden gefunden. Wenn ich nicht wäre, wüsste Sedoi doch gar nicht, was für ein Bankett in dieser wunderbaren Nacht steigen soll.«
    »Woher hat er bloß die ganzen Informationen?«, dachte Fan-dorin und zuckte zusammen. Die Antwort war nicht von der Hand zu weisen, sie war erschreckend einfach: Wanzen. Die Wohnung in der Kijewskaja-Uliza war mit Sicherheit abgehört worden, und der hinterlistige Oberst war über alle Beratungen und Diskussionen bestens informiert, er hatte die Informationen über den Stand der Suche nur nicht an seinen Chef, sondern an dessen Gegner weitergegeben.
    »Ich bin eine Marionette«, dachte der Magister. »Sie haben die Strippen gezogen und mich gelenkt, wie sie wollten. Altyn hatte Recht: ich bin ein Igel im Nebel.«
    Und trotzdem war nicht alles klar.
    »Glauben Sie denn im Ernst, Sergejew, dass Wlad, also Sedoi, Ihnen die Ermordung seines treuen Helfers verzeiht?«
    Wieder lachte Wladimir Iwanowitsch leise auf, als sei ihm eben ein Witz eingefallen, den er dringend erzählen müsse.
    »Schurik habe nicht ich um die Ecke gebracht, sondern Sie. Sie persönlich, Sie haben ihn umgelegt, mein wunderbarer Sir. Sie haben dem Killer mit einem Eisenstück eins übergezogen. Sedoi weiß, wie fix Sie sind, er wird das glauben. Und das Eisenstück ist da – es liegt zwischen Schurik und Ihnen. Und der tolle Sergejew kam gerade recht, um Mister Fandorins dummen englischen Dez zu durchsieben. Wohin hätten Sie die Olive lieber: ins rechte oder ins linke Auge?«
    »Das glaubt Wlad doch nie im Leben«, sagte Nicholas und hielt die Hand schützend vor den Lichtstrahl. »Er weiß, dass ich es nicht fertig bringe, jemand mit einem Schlag von hinten zu töten! Das schaffen Sie nicht! Solowjow ist ja kein Idiot, er hat Menschenkenntnis, und Sie werden Rede und Antwort stehen müssen!«
    Sergejew wurde nachdenklich.
    »Hm, das stimmt. Wlad ist ein Pedant. Er wird die Fingerabdrücke auf dem Eisenstück prüfen und womöglich sogar eine Expertise in Auftrag geben. Danke für den wertvollen Tipp, Mister Fandorin. Sosso hat mir gesagt, Sie sind einfach ein Ausbund an Weisheit.«
    Die Stimme des Obersten änderte sich auf einmal, er sagte hart und gebieterisch:
    »Los, dalli, nimm mal das Rohr, du blöder Big Ben. Zieh es ihm über den Schädel –
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