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Die Bibliothek der verlorenen Bücher

Die Bibliothek der verlorenen Bücher

Titel: Die Bibliothek der verlorenen Bücher
Autoren: Alexander Pechmann
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Stattdessen hatte er sich dem Alkoholkonsum und dem Zertrümmern von Kloschüsseln gewidmet. Aus dem charmanten Abenteurer und hoffnungsvollen Literaten war nach drei gescheiterten Ehen, nach Krankheit, Depressionen und wechselndem schriftstellerischem Erfolg ein schießwütiger Gewohnheitstrinker geworden, der seinen Untergang inszenierte.
       Bei den Texten, die Hemingway nach all den Jahren von der Hotelverwaltung des Ritz ausgehändigt wurden, handelte es sich um Reportagen und Prosaskizzen, die später in das schmale autobiographische Buch »A Moveable Feast« (»Paris – ein Fest fürs Leben«) eingehen sollten. Hemingways Erinnerungen an seine frühen Erfahrungen als Schriftsteller in der französischen Metropole trösten den Leser vielleicht über die Tatsache hinweg, dass manch anderer Text aus dieser Zeit für immer verlorenging: Bei Hemingway wird das Schreiben zu einem sportlichen Unternehmen. Angehende Schriftsteller können von ihm lernen, was zu tun ist, um den späteren Ruhm zu be gründen: Man vertreibe sich die Zeit in Kaffeehäusern und beginne den Tag mit ein paar Gläsern St. James Rum, man übe sich in der Kunst des Hungerns und der noch größeren Kunst, ohne Geld über die Runden zu kommen, man besuche die Pferderennbahn und die Boxkampfarenen, und man schreibe hin und wieder einen wahren Satz wie den folgenden aus Hemingways Erinnerungen: »Alles, was ich jetzt tun musste, war, gesund zu bleiben und einen klaren Kopf zu behalten, bis zum Morgen, bis ich wieder anfangen würde zu schreiben.«

    Prosper Mérimées vorbildliches Verhältnis zur Literatur

    P rosper Mérimée, Autor der berühmten Novelle »Carmen«, hatte das unschätzbare Glück, nicht miterleben zu müssen, wie seine umfangreiche Bibliothek in Flammen aufging. 1871, ein Jahr nach seinem Tod, verbrannte sein gesamter schriftlicher Nachlass. Doch der 1803 als Sohn eines Zeichenlehrers geborene Mérimée hatte ein hinreichend ironisches Verhältnis zur Literatur, das ihm wahrscheinlich gestattet hätte, über einen solchen Verlust leichten Herzens hinwegzusehen. Mindestens eines seiner frühen Werke, eine Prosatragödie über Cromwell, verbrannte er eigenhändig, auch war er sich nicht zu schade, seine schriftstellerischen Anfänge lächerlich zu machen. Wenn wir heute mit seinem Namen exzessive Leidenschaft und Romantik verbinden, dann verdankt sich dies eher Bizets Oper »Carmen«, die auf der gleichnamigen Novelle basiert, als dem in Vergessenheit geratenen Werk Mérimées. Dieses zeichnet sich durch einen sachlichen und prägnanten Stil aus, zuweilen auch durch einen doppelbödigen und boshaften Humor.
       Einige seiner Arbeiten sind für uns nicht deshalb interessant, weil sie verlorengingen, sondern weil sie als Werke imaginärer Autoren ein merkwürdiges Schattendasein führen. Die Bibliothek der verlorenen Bücher versammelt sie allein deswegen in einer ihrer zahllosen Unterabteilungen, weil niemand recht wusste, wo man sie einordnen sollte. Mérimées erster großer Erfolg, das »Theater der Clara Gazul«, wurde unter dem Pseudonym Joseph l’Estrange veröffentlicht und für das Werk einer jungen spanischen Schauspielerin ausgegeben, die angeblich vor der katholischen Inquisition nach England geflüchtet war. Die wilden, gleichermaßen komischen und blutrünstigen Stücke, die hier versammelt waren, handelten von beiläufigem Ehebruch, Betrug, Frömmelei, lüsternen Kirchenmännern und kaltblütigem Mord. »Himmel und Hölle« erzählt beispielsweise von der Liebe zwischen einer gläubigen Katholikin und einem Freigeist, die der Beichtvater der frommen Dame zu verhindern sucht, indem er Eifersucht und Zwietracht sät. Die Dame hört zunächst auf den Priester und bringt ihren Liebhaber durch eine Intrige hinter Gitter. Als sie jedoch entdeckt, dass ihr Beichtvater der Betrüger ist, erdolcht sie ihn bei nächster Gelegenheit. »Es war ja nur ein alter hässlicher Kerl!«, lautet ihr Kommentar.
       Auch Prosper Mérimées zweite Veröffentlichung erschien unter Pseudonym und entpuppte sich als literarischer Scherz: Die achtundzwanzig Balladen der Sammlung »La Guzla« sollten antiken Ursprungs sein und wurden als »illyrische Dichtungen« auch bereitwillig aufgenommen. So ließ Alexander Puschkin durch einen in Frankreich residierenden Freund Erkundigungen über die eigenartigen Lieder einholen. Mérimée gab bereitwillig Auskunft. 1827 hatte er Pläne zu einer ausgedehnten Reise über Triest nach Ra gusa
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