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Die Bibliothek der Schatten Roman

Die Bibliothek der Schatten Roman

Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman
Autoren: Mikkel Birkegaard
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Wortes -, an so vielen Wettbewerben und Preisausschreiben wie nur möglich teilzunehmen, egal, was es zu gewinnen gab. Die Gewinne verkaufte er weiter, wenn er sie selbst nicht brauchen konnte, weshalb seine Wohnung eher nach einem Warenlager aussah. Überall standen Pappkartons mit Putzmitteln, Frühstücksmüsli, Chips, Spielsachen, Süßigkeiten, Wein, Mineralwasser, Kaffee und Hygieneartikeln herum, daneben einzelne größere Gegenstände wie ein Gefrierschrank, ein Zanussi-Elektroherd, ein Ergometerfahrrad, ein Rudergerät und zwei Weber-Kugelgrills. Von außen betrachtet glich es einem gut sortierten Hehlerlager, was auch der Grund für die häufigen Anzeigen war.
    »Wie läuft’s, Chef?«, platzte Muhammed heraus und reichte Jon die Hand. Er schien sein Telefonat beendet zu haben, aber das konnte man nie mit Sicherheit wissen, da er das Headset nur selten absetzte.
    Jon schüttelte ihm die Hand.
    »Ich bin so weit«, sagte Jon und deutete mit einem Nicken auf Muhammeds nackte Beine. »Und was ist mit Ihnen?«
    »Hey, ich muss doch nur dasitzen und unschuldig aussehen«, meinte Muhammed und hob abwehrend die Hände.
    »Dann sollten Sie sich vielleicht ein anderes T-Shirt anziehen«, schlug Jon trocken vor.
    Muhammed nickte.
    »Bin schon dabei. Setzen Sie sich so lange, es dauert nur eine Nanosekunde.«
    Jons Mandant verließ das Wohnzimmer, während sich der Anwalt nach einer freien Sitzgelegenheit umsah. Er räumte einen Karton mit Fertiggerichten in Dosen von dem braunen Ledersofa und setzte sich, die Aktentasche auf dem Schoß. Am anderen Ende des Zimmers stand ein Esstisch, der Muhammed als Arbeitsplatz diente. Auf dem Tisch standen drei flache Computerbildschirme nebeneinander wie Grabsteine. Hinter
dem Tisch ragte ein Bürosessel auf, der es mit seinen Griffen und Hebeln mit jedem Zahnarztstuhl aufnehmen konnte.
    »Wie sieht es mit der Schadensersatzklage aus?«, rief Muhammed aus dem Schlafzimmer.
    »Wir können sie kaum verklagen, solange wir den Prozess noch nicht gewonnen haben«, rief Jon zurück.
    Muhammed tauchte in der Tür auf und war kaum wiederzuerkennen. Jetzt trug er einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und polierte Schuhe. Er kämpfte mit dem Knoten eines grauen Schlipses.
    »Aber dieses Mal könnte ein feines Sümmchen zusammenkommen«, meinte Jon und deutete auf Muhammeds Gesicht.
    Muhammed gab es auf und warf den Schlips zu Boden.
    »Ja, das werden mucho Euro«, sagte er und fasste sich an die Augenbraue. »Was verdient so ein Sandsack in der Stunde?«
    Jon antwortete mit einem Schulterzucken.
    Bei ihrer letzten Visite bei Muhammed war die Polizei mit sechs Mann angerückt. Sie hatten die Wohnungstür gewaltsam aufgebrochen, ohne zu wissen, dass der Flur mit Kartons voller Dosentomaten, Pampers, elektrischen Küchengeräten und Wein vollgestellt war. Natürlich waren sie nicht darüber informiert, dass Besucher aus ebendiesem Grund immer über die Terrassentür kamen, und so deuteten sie die Unordnung als einen Versuch Muhammeds, die Tür zu verbarrikadieren. Die nachfolgende Verhaftung verlief deshalb etwas gewalttätiger, als angemessen gewesen wäre. Muhammed trug zwei Rippenprellungen und eine geplatzte Augenbraue davon, als sie ihn zu Boden warfen. Auch war es der Situation nicht gerade zuträglich gewesen, dass im gleichen Moment acht Freunde von Muhammed auftauchten und die Polizisten schließlich Verstärkung anfordern mussten.
    Eine Morgenzeitung bezeichnete die Aktion tags darauf als »erfolgreichen Schlag gegen eine türkische Hehlerbande«.
Obgleich die Haftprüfung noch am gleichen Tag zu einem anderen Ergebnis kam, erwartete niemand der Betroffenen eine Entschuldigung oder auch nur eine kleine Richtigstellung in dieser Zeitung.
    Muhammed rückte sich den Hemdkragen zurecht und breitete die Arme aus.
    »Okay?«
    »Sieht gut aus«, stellte Jon fest und stand auf. »Gehen wir dann?«
    »Moment«, rief Muhammed. »Ich kann Sie doch nicht gehen lassen, ohne Ihnen ein Freundschaftsangebot gemacht zu haben.« Er trat zu einem Stapel Kartons und öffnete den obersten. »Wie wäre es mit ein paar ganz fantastischen Büchern?«, fragte er, zog ein paar aus dem Karton und streckte sie Jon entgegen. »Ich gebe sie Ihnen zu einem guten Preis.«
    Dem Cover nach zu urteilen, handelte es sich um Arztromane der übelsten Kategorie, so dass Jon nur lächelnd den Kopf schüttelte.
    »Nein danke. Ich lese so gut wie gar nicht mehr.« Er klopfte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe.
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