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Die Beute

Die Beute

Titel: Die Beute
Autoren: Lisa J. Smith
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blind vertraut oder so.«
    Dees schlehenfarbene Augen wurden schmal. »Du denkst …«
    »Ich denke, dass sie ihn an jenem Morgen gesehen hat. Und das bedeutet …«
    »Dass sie vielleicht weiß, wo das Papierhaus ist«, ergänzte Michael und klang eher erschrocken als aufgeregt.

    »Wenn sie es weiß, müssen wir sie finden«, sagte Jenny.
    Michael stöhnte.
    Jenny machte ihm keinen Vorwurf. Ihre Situation war einfach schrecklich. Die Art, wie die Leute sie jetzt ansahen, die Fragen in ihren Augen – und die Gefahr. Eine Gefahr, von der niemand außer ihrer Clique etwas ahnte.
    Zu einem großen Teil war das Jennys Schuld. Es war ihre eigene brillante Idee gewesen. Lasst uns der Polizei die Wahrheit sagen …
     
    Zwei Polizistinnen waren gekommen. Die eine Hawaiianerin oder Polynesierin und schön wie ein Model, die andere untersetzt und ein eher mütterlicher Typ. Zusammen untersuchten sie den Splitterhaufen rund um die gläserne Schiebetür.
    »Aber das hat nichts mit Summer zu tun«, erklärte Jenny, und dann erzählten sie, Tom, Michael und Audrey alles noch einmal.
    Nein, es war kein Ufo gewesen, nun ja, eine Art Ufo – denn Julian war tatsächlich außerirdisch, aber er hatte die Scheibe nicht zerbrochen. Er war aus einem Spiel gekommen – oder zumindest hatte er sie in ein Spiel hineingesaugt. Oder zumindest …
    Also gut. Noch einmal von Anfang an.
    Jenny hatte das Spiel in der Montevideo Street gekauft, in einem Laden namens … Noch mehr Spiele. Okay? Sie hatte es gekauft und mit nach Hause genommen
und sie hatten es geöffnet. Ja, sie waren alle hier gewesen, zu sechst, einschließlich Summer. Zur Party anlässlich Toms siebzehntem Geburtstag.
    In der Schachtel war ein Pappkartonhaus gewesen. Sie hatten es zusammengebaut, ein viktorianisches Haus, drei Stockwerke und ein Türmchen. Blau.
    Dann hatten sie diese Papierpuppen hineingesetzt, so bemalt, dass sie aussahen wie sie selbst. Ja, richtig, sie waren ein wenig zu alt, um mit Papierpuppen zu spielen. Aber es handelte sich nicht nur um ein Puppenhaus. Es war ein Spiel.
    Das Spiel bestand darin, seinen schlimmsten Albtraum auf ein Blatt Papier zu zeichnen und es in einen Raum des Hauses zu legen. Dann, so erklärten sie weiter, musste man sich von unten nach oben vorarbeiten. Und währenddessen durchlebte man den Albtraum eines jeden Spielers.
    Es war ihnen zunächst einfach nur wie ein interessantes, spannendes Spiel vorgekommen. Bis es real geworden war.
    Ja, real. Real. Wirklich. Wie viele verschiedene Möglichkeiten gab es noch, real zu sagen? Re-al!
    Sie waren alle ohnmächtig geworden, und als sie wieder erwachten, hatten sie sich in dem Haus wiedergefunden. Darin. Es war nicht länger aus Pappkarton gewesen. Sondern ein solides, gewöhnliches Haus. Und dann war Julian aufgetaucht.
    Wer war Julian? Was war Julian, hätte die Frage eigentlich
lauten müssen. Dämonenprinz traf es wohl am ehesten. Er selbst nannte sich den Mann der Schatten.
    Schattenmann. Wie der Sandmann, nur dass er Albträume bringt.
    Es war Julian, der Summer getötet hatte. Er hatte sie dazu gezwungen, sich ihrem schlimmsten Albtraum zu stellen, einem furchtbar unordentlichen Zimmer. Voller Müllstapel und riesigen Küchenschaben. Ja, das mochte vielleicht komisch klingen, aber das war es ganz und gar nicht …
    Nein, keiner von ihnen hatte Kafka gelesen.
    Es war nicht komisch, denn es hatte Summer getötet. Sie war unter einem Müllhaufen aus der Hölle begraben worden, unter Haufen von Dreck und verfaulendem Zeug. Sie hatte geschrien und geschrien und dann hatten die Schreie schließlich aufgehört.
    Die Leiche? Um Gottes willen, wo sollte die Leiche schon sein? Dort drin, vergraben unter Schutt, in dem Papierhaus, in der Schattenwelt.
    Nein! Die gläserne Schiebetür hatte nichts damit zu tun. Das war geschehen, nachdem sie aus der Schattenwelt entkommen waren. Jenny hatte Julian überlistet und ihn hinter einer Tür mit der Rune der Beherrschung weggesperrt. Zurück in der realen Welt, hatte Jenny das Papierhaus wieder in die Verpackungsschachtel gestopft, und dann hatten sie die Polizei angerufen. Ja, der Anruf um sechs Uhr vierunddreißig an diesem Morgen. Während des Telefonats hatten sie Glas splittern
gehört, waren ins Wohnzimmer gerannt und hatten zwei Typen gesehen, die mit der Schachtel über die Mauer hinterm Haus kletterten.
    Warum irgendjemand die Schachtel hätte stehlen wollen? Nun, diese Typen waren Jenny schon gefolgt, als sie das Spiel gekauft
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