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Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)

Titel: Die Bettgeschichten der Meisterköche: Roman (German Edition)
Autoren: Irvine Welsh
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Zuhause mehr, als er sich je hatte vorstellen können.
    Das alte Mädchen hat Feierabend gemacht und stinkt heftig nach dieser Dauerwellenlotion. Ich hatte vergessen, wie sehr die ganze Bude danach mieft, wie das alles durchdringt. Sie hat immer noch das selbstgemachte Tuschetattoo BEV auf dem Unterarm und macht null Versuche, es zu verstecken, trotz direktem Kundenkontakt in ihrem Dienstleistungsgewerbe. Zugegeben, wir sprechen hier nicht von einer wählerischen Klientel: Zwischen denen und Leuten, die regelmäßig, sagen wir mal, Stammgäste bei Teiggesicht De Fretais sind, liegen Lichtjahre.
    Als Kind bin ich quasi in dem Laden aufgewachsen, und jede Schabracke von Stammkundin war praktisch meine Ersatztante oder – oma. Ich wurde wie eine Luxushautcreme zwischen ihre dicken Titten geschmiert. Ein kleiner Junge ohne Daddy, den man bemitleiden, verzärteln, ja, sogar lieben konnte. Gutes altes sonniges Leith: Kein Ort liebt seine Bastarde wie ein Hafenviertel.
    Der elektrische Kamin mit seinen glimmenden Plastikkohlen erzeugt eigentlich ordentlich Hitze, doch ihre große blaue, bauschige Perserkatze liegt direkt davor auf dem Kaminvorleger und absorbiert alle Wärme, das egoistische Mistvieh. Der ArtDeco-Kaminsims ist normalerweise der Eyecatcher im Zimmer, doch jetzt verweist ihn ein übergroßer Weihnachtsbaum in der Ecke auf den zweiten Platz. Über dem Kamin hängt das gerahmte Cover von London Calling , dem Clash-Album. Mit Edding ist daraufgekritzelt:
To Bev, Edinburgh’s No. 1 Punk ,
Luv Joe S xx x
20. 1. 80

    Das alte Mädchen gibt sich der Illusion hin, eine Kennerin der menschlichen Natur zu sein; sie hat sich eingeredet, dass sie bei ihrer Arbeit in den Menschen lesen kann wie in einer Ausgabe von Hello! . Wenn sie reinkommen und ihr erzählen, dass sie dies oder das mit ihren trockenen und splissigen oder strähnigen und fettigen Haaren anstellen wollen, schaut sie ihnen tief in die Augen und fragt: »Biste dir da ganz sicher?« Dann gucken die anderen nervös und machen irgendwelche Alternativvorschläge, bis sie zustimmend nickt und sagt: »Das ist es.« Dann geht sie gut gelaunt ans Werk und gurrt dabei: »Ne, sieht das wieder schick aus« oder »Das steht dir richtig gut, Herzchen«. Und die Leute kommen immer wieder. Wie prahlt das alte Mädchen doch so oft: »Ich kenn die besser als die sich selbst.«
    Nicht gern gesehen ist es allerdings, wenn sie diese Haltung gegenüber ihrem einzigen und illegitimen Nachkommen an den Tag legt. Sie sitzt in ihrem Sessel, während ich mich aufs Sofa fallen lasse, mir die Fernbedienung kralle und Scotland Today anmache. – Diese Entschädigungsknete, fängt sie an und kneift die Augen unter ihrer dicken Brille zusammen, – ich schätze, die ist mittlerweile komplett übern Tresen gewandert, was?
    Das alte Mädchen geht langsam aus dem Leim. Klein und kompakt war sie schon immer, aber jetzt wird ihr Gesicht schwabbeliger. Weil sie immer Schwarz bevorzugt hat, hält sich der schlank machende Effekt für ihren Speck der mittleren Jahre in Grenzen. – Äußerst ungerecht, sage ich, als die Sportergebnisse kommen und ein weiterer Treffer von Riordan ins Netz knallt, – da haben auch ein paar Buchmacher ihren Schnitt gemacht.
    Aber sie will mich nur aufziehen. Sie weiß, wie viel die Anzahlung für die Wohnung gekostet hat. Es waren fünfzehn Mille, die ich für den Unfall gekriegt habe, nicht hundertfünfzehn!
    – Es ist also alles schon verprasst?, fragt sie und fährt sich durch ihr purpurrotes Haar.
    Ich werd mich nicht auf so was mit ihr einlassen. – Um es mit den Worten eines berühmten Fußballers zu sagen: »Ich hab das meiste mit Trinken, Frauen und Pferdewetten durchgebracht. Den Rest habe ich verprasst.«
    – Aye, na schön, schnaubt das alte Mädchen, steht auf, stemmt die Hände in die Hüften und imitiert so unfreiwillig die Pose, die Jean-Jacques Burnel auf dem Stranglers-Poster hinter ihr an der Wand einnimmt. – Du bleibst ja wohl zum Abendessen, oder?
    Das ist nur selten der kulinarische Genuss, für den sie es hält.
    – Was haste denn?
    – Würstchen. Ist ja toll. – Rind oder Schwein? Das alte Mädchen rupft sich die Brille von der Nase, die auf jedem Nasenflügel eine rötliche Delle hinterlässt. Sie müht sich, etwas zu erkennen, und sieht aus, als wäre sie gerade aufgewacht, während sie sich die Gläser an ihrer Bluse putzt. – Willst du jetzt essen oder nicht?
    – Aye … na gut.
    – Nich, dass du dir n Zacken aus der
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