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Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung

Titel: Die Bestimmung - Roth, V: Bestimmung
Autoren: Veronica Roth
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Finger zittern. Ich mache den Mund auf, will etwas fragen, bringe aber kein Wort heraus. Ich darf ihn nicht nach dem Ergebnis fragen und er darf es mir nicht sagen.
    Die nächsten Namen werden aufgerufen. Zwei Ferox, zwei Ken, zwei Amite und dann: » Von den Altruan: Susan Black und Beatrice Prior.«
    Ich stehe auf, weil ich aufstehen muss, aber wenn es nach mir ginge, würde ich bis in alle Ewigkeit sitzen bleiben. Ich fühle mich, als hätte ich einen Ballon in der Brust, der immer größer wird und mich von innen her zerreißt. Ich folge Susan zum Ausgang. Die Leute, an denen wir vorbeigehen, können uns wahrscheinlich nicht auseinanderhalten. Wir sind gleich gekleidet, wir tragen unsere blonden Haare auf die gleiche Weise. Der einzige Unterschied zwischen uns beiden ist vermutlich der, dass Susan wohl nicht kotzübel ist, und soweit ich sehe, zittern auch ihre Hände nicht so sehr, dass sie sich am Saum ihres Oberteils festhalten muss, damit das nicht auffällt.
    Hinter der Cafeteria reihen sich zehn Räume aneinander. Ich war noch in keinem von ihnen, sie werden nur für die Eignungstests genutzt. Anders als die meisten Schulräume sind die Trennwände zwischen ihnen nicht aus Glas, sondern sie werden durch Spiegel abgetrennt. Ich sehe mich darin blass und ängstlich auf eine der Türen zugehen. Susan lächelt nervös und betritt Raum fünf. Ich gehe in die Nummer sechs, wo bereits eine Ferox auf mich wartet.
    Sie blickt nicht ganz so streng wie die jungen Mädchen ihrer Fraktion, die ich bisher kennengelernt habe. Sie hat schräg stehende, dunkle Augen und trägt einen schwarzen Männerblazer und Jeans. Als sie sich umdreht und die Tür schließt, fällt mir das Tattoo auf ihrem Nacken auf. Es ist ein schwarz-weißer Falke mit rotem Auge. Wenn mein Herz nicht gerade im Hals feststeckte, würde ich sie fragen, was der Vogel zu bedeuten hat. Irgendeine Bedeutung muss er ja haben.
    Überall an den Wänden sind Spiegel. Ich kann mich von allen Seiten betrachten– meinen Rücken, meine graue Kleidung, meinen langen Hals, meine Hände mit den vorstehenden Knöcheln, die immer rot hervortreten, wenn ich aufgeregt bin. Von der Zimmerdecke strahlt helles Licht und in der Mitte des Raums steht ein Liegesessel wie bei einem Zahnarzt, daneben befindet sich ein Apparat. Es sieht aus wie ein Ort, an dem sich schreckliche Dinge ereignen können.
    » Keine Sorge«, sagt die Frau, » es tut nicht weh.«
    Ihr Haar ist schwarz und glatt gekämmt, aber das grelle Licht offenbart auch ein paar graue Strähnen.
    » Setz dich und mach es dir bequem«, sagt sie. » Ich heiße Tori.«
    Unbeholfen setze ich mich auf den Stuhl und lehne mich zurück, mein Kopf sinkt in die Kopfstütze. Das Licht blendet mich. Tori macht sich an dem Apparat rechts neben mir zu schaffen. Ich versuche, mich auf sie zu konzentrieren und die Drähte und Kabel zu ignorieren.
    » Was hat der Falke zu bedeuten?«, platzt es aus mir heraus, als sie eine Elektrode an meine Stirn klebt.
    » Ist Neugier bei den Altruan nicht verboten?«, erwidert sie mit hochgezogenen Augenbrauen.
    Bei ihren Worten läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Meine Neugier ist ein Laster, ein Verrat an den Werten unserer Fraktion.
    Leise vor sich hin summend, drückt sie mir eine zweite Elektrode auf die Stirn. » In manchen Gegenden der alten Welt war der Falke das Symbol der Sonne«, erklärt sie. » Als ich mir das Tattoo machen ließ, glaubte ich, wenn ich immer die Sonne bei mir trüge, würde ich mich nie vor der Dunkelheit fürchten.«
    Ich will ihr nicht noch eine Frage stellen, aber dann tue ich es doch. » Hast du Angst vor der Dunkelheit?«
    » Ich hatte Angst vor der Dunkelheit«, verbessert sie mich. Dann klebt sie eine Elektrode an die eigene Stirn und verbindet sie mit einem Kabel. Achselzuckend sagte sie: » Mittlerweile erinnert mich der Falke daran, dass ich meine Angst davor überwunden habe.«
    Sie stellt sich hinter mich. Ich klammere mich so fest an die Armlehnen, dass meine Knöchel weiß anlaufen. Sie nimmt mehrere Kabel, befestigt sie zuerst an mir, dann an sich selbst und an dem Apparat. Sie reicht mir ein Fläschchen mit einer klaren Flüssigkeit.
    » Trink«, fordert sie mich auf.
    » Was ist das?« Ich schlucke schwer, meine Kehle ist wie zugeschnürt. » Und was passiert dann?«
    » Das darf ich dir nicht sagen. Vertrau mir einfach.«
    Ich atme tief aus, dann kippe ich den Inhalt des Fläschchens in meinen Mund. Sofort fallen mir die Augen zu.
    Als ich die
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