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Die beste Welt: Roman (German Edition)

Die beste Welt: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Welt: Roman (German Edition)
Autoren: Karen Lord
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selbst erzählen.«
    »Nein, du wirst es mir erzählen. Und zwar jetzt«, knirschte ich.
    Sie zögerte, doch dann faltete sie die Hände und sah mich ernst und mit tiefem Mitgefühl an. »Du weißt, dass bei den meisten Sadiri die Ehe schon in sehr jungen Jahren arrangiert wird, nicht wahr?«
    Ich wurde ungeduldig. »Natürlich. Aber er hat nie ein Wort von einer Frau gesagt.«
    »Sie kam wie so viele andere bei der Katastrophe um. Allerdings hatten sie sich schon vorher getrennt.«
    »Getrennt? Was bedeutet das für einen Sadiri?«, wollte ich wissen. »Er hat gesagt, sie lehnten Monogamie auf Zeit ab.«
    »So ist es«, bestätigte Freyda. »Deshalb war es auch ein so großer Skandal, als die Ehe und die Paarbindung gelöst wurden.«
    Ich atmete langsam aus. »Oh, oh, armer Dllenahkh. Das soll wohl heißen, er hat sich scheiden lassen.«
    Freyda war das Thema sichtlich unangenehm. »Es steckte noch etwas mehr dahinter. Sadirische Männer in einer Paarbindung können besitzergreifend sein – sehr besitzergreifend. Dllenahkh fand heraus, dass seine Frau ihm untreu war. Daraufhin schlug er seinen Nebenbuhler bewusstlos.«
    »Was?« Ich starrte sie ungläubig an. Das konnte nicht wahr sein. Es klang wie ein schlechtes schmutziges Holovid.
    Freyda wurde deutlicher. »Er hat ihm den Kiefer gebrochen«, sagte sie. »Er wurde dafür jedoch nicht angeklagt. Für Verbrechen aus Leidenschaft gelten bei den Sadiri andere Regeln. Die Täter werden als vorübergehend unzurechnungsfähig bezeichnet. Als Dllenahkh wieder bei Sinnen war, erklärte er seiner Frau, er gebe sie frei.«
    »Oh«, sagte ich nur. Mir fehlten die Worte.
    »Es tut mir leid, dass du das von mir erfährst. Er redet offensichtlich nicht gern darüber, und ich wüsste es auch nicht, wenn Lanuri es mir nicht erzählt hätte. Ich glaube, er wollte mir gegenüber rückhaltlos aufrichtig sein, damit ich das Für und Wider einer so engen Bindung objektiv beurteilen könnte.« Sie ließ den Kopf hängen und starrte in ihr Weinglas. »Leider hat das nicht geklappt. Jetzt bin ich noch weniger objektiv als vorher.«
    »Nachdem ich das weiß, kann ich es kaum erwarten, ihm in die Augen zu schauen«, murmelte ich. »Warum hat er es mir verschwiegen?«
    »So etwas kommt einem nur schwer über die Lippen«, suchte sie mich zu besänftigen. »Bitte, bitte sag nicht weiter, dass du es von mir hast. Mir ist das entsetzlich unangenehm.«
    »Ich werde so tun, als wüsste ich von nichts«, versprach ich unglücklich.
    Eine Weile konnte ich mich tatsächlich ahnungslos stellen. Es gab so viel zu tun in diesen ersten Tagen in der Siedlung, dass keine Zeit blieb, mit Dllenahkh auf die Frage der Paarbindung zurückzukommen. Das war jedenfalls meine Ausrede, eine gute und eine ehrliche Ausrede, doch irgendwann nahm mir das Schicksal die Entscheidung ab. Dllenahkh bildete weiterhin Schüler in den geistigen Disziplinen aus, und zu diesem Zweck hatte die Siedlung auch ein eigenes Meditationszentrum. Ich selbst benutzte es nicht. Ich konnte in meinem eigenen Zimmer wunderbar meditieren, außerdem gab es einen Meditationsraum im Haupthaus. Aber ich ging gelegentlich vorbei, und einmal war ich in Begleitung von Freyda, als wir eine zornige Stimme hörten. Wir wechselten erstaunte Blicke und gingen natürlich näher heran, weil wir wissen wollten, was da vorging.
    »… halten mehr zurück, als Sie vermitteln! Sie denken nur an Ihre eigene Stellung und Ihre Macht in dieser Gemeinschaft.«
    »Ich halte nichts zurück«, erwiderte Dllenahkh ruhig. »Ich sage lediglich, dass es nicht ratsam ist, sich allein auf die Meditation zu verlassen.«
    »Und doch haben Sie das jahrzehntelang getan. Ihnen ist es gelungen. Warum nicht auch einem anderen?«
    »Sie wollen mit der Meditation auf Dauer die Einsamkeit überwinden, aber das war nie Sinn und Zweck dieser Praxis. Das Ministerium kann Ihnen helfen, eine passende Partnerin zu finden, außerdem gibt es Beruhigungsmittel, um den Schmerz über Ihren Verlust zu dämpfen. Ich empfehle Ihnen, auf irgendeine Weise Abhilfe zu schaffen, und zwar schnell.«
    Dann gab es einen lauten Krach, und Freyda und ich drängten uns unwillkürlich aneinander und zogen die Köpfe ein. Zum Glück hatten wir nicht direkt vor dem Fenster gestanden, als die schwere Holzbank herausgeflogen kam, sonst hätte sie uns womöglich noch getroffen. Auch so prasselten Glasscherben auf uns nieder. Dann hörten wir von drinnen ein Schlurfen und Scharren und spähten durch die kaputten
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