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Die Bank

Die Bank

Titel: Die Bank
Autoren: Brad Meltzer
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Stimme ist leise und glatt.
    »Ja, Sir.«
    »Gut, Mr. Caruso. Mehr brauche ich nicht zu wissen.« Mit diesen Worten legt er auf. Ich schaue auf mein Handy. Immer noch nichts.
    Innerhalb von drei Minuten habe ich alle Partner angepiept und angewählt, zu deren Nummern ich Zugang habe. Niemand antwortet mir. Wir reden hier von einem Konto über hundertfünfundzwanzig Millionen Dollar. Ich ziehe meinen Mantel aus und lockere meine Krawatte. Auf dem Rolodex unseres Netzwerks finde ich nach kurzer Suche die Nummer des University Clubs, wohin sich die Partner gewöhnlich zurückziehen. Ich schwöre, daß ich meinen Herzschlag hören kann, als ich sie wähle.
    »Sie haben den University Club erreicht«, antwortet eine weibliche Stimme.
    »Hi, ich suche Henry Lapi…«
    »Wenn Sie mit der Club-Vermittlung oder einem Gästezimmer sprechen wollen, dann wählen Sie bitte die Null«, fährt die Automatenstimme fort.
    Ich drücke die Null, und eine weitere Maschinenstimme sagt: »Alle Plätze sind belegt … Bitte bleiben Sie dran.« Ich nenne mein Handy und wähle wie verrückt. Ich suche jemanden, der Befehlsbefugnis hat. Baraff … Bernstein … Mary von der Buchführung … Sie sind alle weg.
    Ich hasse Freitage kurz vor Weihnachten. Wo stecken bloß alle?
    In meinem Ohr wiederholt die Automatenstimme: »Alle Plätze sind belegt … Bitte bleiben Sie dran.«
    Ich bin versucht, den Panikknopf zu drücken und Shep zu rufen, den Sicherheitschef der Bank. Aber nein … Er ist viel zu pedantisch. Ohne eine korrekte Unterschrift läßt er mir das niemals durchgehen. Wenn ich also niemanden finden kann, der eine Überweisung autorisiert, dann muß ich wenigstens jemanden im Büro auftreiben, der …
    Ich hab’s.
    Mein Bruder.
    An das eine Ohr presse ich den Hörer und an das andere mein Handy. Ich schließe die Augen, während ich zuhöre, wie sein Telefon klingelt. Einmal … zweimal …
    »Hier ist Charlie«, antwortet er.
    »Du bist noch da?«
    »Nein, ich bin vor einer Stunde gegangen«, witzelt er unbewegt. »Das hier ist nur ein Auswuchs deiner Phantasie.«
    Ich übergehe den Scherz. »Weißt du noch, wo Mary von der Buchführung ihren Usernamen und ihr Paßwort verwahrt?«
    »Ich denke schon … Warum fragst du?«
    »Rühr dich nicht von der Stelle! Ich bin gleich bei dir!«
    Meine Finger tanzen wie der Blitz über die Tasten meines Telefons und leiten alle Anrufe auf mein Handy um … Falls der University Club abnehmen sollte.
    Dann stürme ich aus meinem Büro und steuere geradewegs auf den Privatfahrstuhl am Ende des dunklen, mahagonigetäfelten Flurs zu. Es ist mir egal, daß sie für Klienten reserviert sind. Ich tippe Lapidus’ sechsstelligen Code auf der Tastatur über dem Rufknopf ein, und die Tür gleitet auf. Das würde Shep sicher auch nicht gefallen.
    Schon im Hineingehen drücke ich auf Tür schließen . Ich habe letzte Woche in einem Buch gelesen, daß die meisten Knöpfe mit dieser Aufschrift gar nicht funktionieren. Sie sollen nur Leuten, die es eilig haben, das Gefühl geben, daß sie alles im Griff hätten. Ich wische den Schweiß von meiner Stirn und drücke trotzdem auf den Knopf. Und dann noch einmal. Drei Etagen.
     
    »So«, verkündet Charlie und lächelt, als er von einem Stapel Dokumenten hochschaut. Er wirft mir über den Rand seiner altmodischen Hornbrille einen prüfenden Blick zu. Er trägt diese Brille schon seit Jahren, lange bevor sie modern wurde. Dasselbe gilt auch für sein weißes Hemd und seine zerknitterte Hose. Beides sind Erbstücke aus meinem Kleiderschrank, aber an seinem schlanken Körper wirken sie perfekt. Das ist der typische City-Stil. Niemals zu adrett. »Wer hat sich denn da in die Slums verirrt?« begrüßt er mich.
    Ich ignoriere den Seitenhieb. Daran habe ich mich in den letzten Monaten gewöhnt, genauer gesagt, im letzten halben Jahr. Damals habe ich ihm den Job in der Bank verschafft. Er brauchte das Geld, und Mom und ich brauchten Hilfe bei den Rechnungen. Hätte es sich nur um Gas, Strom und Miete gehandelt, wäre das kein Problem gewesen, doch unsere Krankenhausrechnungen … Charlie hat das immer als seine persönliche Angelegenheit betrachtet. Nur deshalb hat er den Job überhaupt angenommen. Und auch wenn er es als Möglichkeit sieht, seinen Beitrag zu leisten, während er seine Musik schreibt, fällt es ihm bestimmt nicht leicht, mich da oben in einem eigenen Büro zu sehen, mit einem Schreibtisch aus Walnußholz und einem Ledersessel, während er hier unten in
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