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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten
Autoren: dtv
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übergeben müssen.
    »Das ist kein Filmset«, flüsterte Katherine. »In Filmen kommt immer der Hinweis ›Bei diesen Aufnahmen kamen keine Tiere zu
     Schaden‹.«
    »Die Kerle haben echt Hunger«, sagte Jonas und wandte sich ab, weil er nicht länger hinsehen konnte.Die Markerjungen schienen einen Teil des Fleischs gleich roh zu verschlingen und hatten blutverschmierte Gesichter. »Bärenhunger.
     Das kann niemand schauspielern.«
    »Aber dann   …«, sagte Andrea und verzog gequält das Gesicht. Wieder sah sie zu den beiden Markern hinüber, die jetzt mit geisterhaften
     Messern auf das tote Markerreh einstachen. »Ich hätte wissen müssen, dass er lügt, dass es nicht möglich ist, auch nicht mit
     Zeitreisen.«
    »Wer hat gelogen?«, fragte Katherine. »Meinst du HK? Wovon redest du?«
    Andrea gab keine Antwort. Sie sackte wieder auf den Boden und ihre Schultern bebten vor lautlosem Schluchzen. Ein Wimmern
     entschlüpfte ihr, das sie schnell unterdrückte, doch es schien sie unglaubliche Anstrengung zu kosten. Obwohl sie keinen Laut
     von sich gab, war es das schmerzlichste Weinen, das Jonas je gesehen hatte, Millionen Mal schlimmer als jedes Theater von
     Katherine. Und genau wie die Szene mit den Markerjungen und dem Markerreh war ihm auch diese hier viel zu realistisch. Er
     konnte den Anblick einfach nicht ertragen.
    Da er auch nicht mit ansehen wollte, wie die Markerjungen mit dem Markerreh zugange waren, wusste er kaum noch, wo er die
     Augen hinwenden sollte. Sein Blick fiel auf Dare. Der Hund sah zwischen Andrea und den Markern hin und her.
    Jonas streckte die Hand aus und packte Dare am Halsband, um ihn an seinem Platz zu halten. Er hatte nicht die geringste Ahnung,
     wie er Andrea helfen sollte,aber vielleicht war es ihr ein Trost, den Hund in der Nähe zu haben.
    »Was ist denn, Andrea?«, wollte Katherine wissen, die genauso verwirrt klang, wie Jonas sich fühlte. »Bist du eine militante
     Tierschützerin? Ich kann dir versichern, dass in der Vergangenheit nicht nur Rehe   –«
    »Ich weine nicht wegen einem
Reh
«, fauchte Andrea sie an.
    »Weshalb dann?«
    Jonas wusste, dass er den beiden sagen sollte, nicht so laut zu sein. Es war gefährlich. Doch die Zeitkrankheit, der Schock
     über den Verlust des Definators, sein Entsetzen über die Schlachtung des Rehs und Andreas qualvolles Weinen – all das schien
     gleichzeitig auf ihn einzustürmen. Er konnte nichts tun, als Dares Halsband zu umklammern, das sich sicher und robust anfühlte.
     Seine Finger strichen über die kleine Tasche, in die HK vor Ewigkeiten, damals in der Zukunft, den Definator geschoben hatte.
     Auch sie war äußerst solide gefertigt und befestigt und saß fest am Halsband   …
    Augenblick, dachte er.
    Er zerrte an dem Täschchen und gab sich alle Mühe, es abzureißen, doch es musste mit einem superstarken futuristischen Kleber
     befestigt worden sein. Selbst unter Aufbietung aller Kräfte vermochte Jonas nichts auszurichten.
    Vor seinem inneren Auge wiederholte sich eine Szene.
    Warte, ich habe Angst, dass der Definator rausfällt, hatte Andrea beim Sturz durch die Zeit gesagt, damals, als sie den Definator
     noch gehabt hatten. Sie hatte hinübergelangtund an der Tasche herumgefingert. Im Dunkeln, als Jonas und Katherine sie kaum sehen konnten. Der Riemen ist locker, hatte
     sie gesagt. Am besten halte ich den Definator selbst fest.
    Aber da war gar kein Riemen. Es gab überhaupt keinen Grund, warum Andrea den Definator aus dem Täschchen hatte ziehen müssen.
    Es sei denn, sie wollte ihn absichtlich verlieren.
    Jonas setzte sich auf und ließ Dares Halsband los. Mit zusammengekniffenen Augen funkelte er Andrea an.
    »Du hast gelogen«, sagte er.

Acht
    Katherine reagierte als Erste.
    »Was redest du da?«, fragte sie und sah verwundert von Andrea zu Jonas.
    »›Wegen Jonas habe ich den Definator verloren‹«, äffte Jonas mit gezierter, weinerlicher Stimme nach und klang dabei kein
     bisschen wie Andrea. »›Es ist alles seine Schuld.‹« Gut, ganz so hatte sie es nicht gesagt, aber Jonas war sauer. »Sie hat
     gelogen!«
    »Jonas, du hast sie angerempelt«, sagte Katherine. »Es war ein Versehen. Du wolltest doch nur helfen. Niemand glaubt, dass
     du es mit Absicht getan hast.«
    Es war seltsam zu erleben, wie Katherine den Friedensengel spielte, die Ruhige und Vernünftige. Irgendwie brachte es Jonas
     noch mehr in Rage.
    »Aber ich
habe
nichts falsch gemacht, auch nicht aus Versehen. Es ist
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