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Die Auserwahlte

Die Auserwahlte

Titel: Die Auserwahlte
Autoren: Vampira VA
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vergessen. Es war noch so präsent wie zuvor, nur daß ein anderes Gefühl sich darüber gelegt und es kaschiert hatte.
    Doch jetzt, da Rebecca es ansprach, drängte es wieder empor. Kälte vertrieb alle Wärme aus Mariah, fuhr in sie ein und durch sie hindurch wie ein ungeheuer mächtiger Sturmwind, der alles andere nicht einfach nur beiseite fegte, sondern regelrecht hinaustrieb!
    Und doch hinterließ er nicht Leere.
    Der Orkan brachte etwas mit. Oder weckte etwas, das schon dagewesen war und nur einer solchen Berührung bedurft hatte, um sich vollends zu erheben.
    Etwas, unter dessen bloßer Präsenz Schwester Mariah zu zittern begann. Nicht in der Art, wie man zittert, wenn einem kalt ist - sondern wie von einem fürchterlichen Fieber gepackt und durchgeschüttelt!
    Mariah spürte, wie ihre Körper sich wie in spasmischen Krämpfen zuckend am Boden wand. Und doch spürte sie keinen Schmerz dabei, als ihre Glieder und ihr Kopf wieder und wieder gegen den nassen Stein schlugen.
    Und das war das Schlimmste daran: gefangen zu sein im eigenen Leib, den etwas anderes an sich gerissen hatte und mit dem es tat und umsprang, was und wie es wollte, und von dem Mariah nicht einmal den Anflug einer Ahnung hatte, was es war.
    Sie war dazu verflucht zu denken und zu sehen und durfte nichts fühlen.
    Mariah sah, wie die Haut über ihren Fingerknöcheln aufplatzte, wie Blut hervortropfte, als sie wieder und wieder gegen den rissigen Steinboden geschlagen wurden - und es tat kein bißchen weh!
    Sie wollte weinen, wenn schon nicht vor Schmerz, so doch wenigstens aus Verzweiflung. Aber das Fremde in ihr, das sich mit Kälte tarnte, ließ ihr nicht einmal ihre Tränen.
    Mariah wünschte sich ohnmächtig zu werden. Oder zumindest, daß sie aufhören könnte zu denken. Denn die Gedanken, die sie jetzt durchrasten, übertrafen beinahe noch, was bereits mit ihr geschah.
    Vielleicht, wisperte es in ihr, ist dies die Strafe für dein frevelhaftes Tun. Gottes Zorn trifft dich, weil ihr das Gelübde gebrochen habt ... Und vielleicht ist diese Strafe noch viel zu milde für euer Vergehen ...
    Nein! wollte Mariah rufen. Nein, Gott straft seine Kinder nicht auf solche Art! Niemals würde er ihnen so etwas antun!
    Doch kein Wort entrang sich ihrer Kehle. Und selbst in ihren Gedanken schien Mariah die Rechtfertigung ohne jede Kraft.
    »Mein Gott, Mariah! Was ist los mit dir?«
    Sie hörte Rebeccas entsetzten Ruf, doch sie war nicht in der Lage, irgend etwas zu erwidern. Ihre Lippen waren wie zugefroren, entließen nicht einmal Schreie. Und Mariah war fast sicher, daß auch in ihren Augen keine Spur ihres eigenen Leids zu finden war. Etwas wie Frost mußte sich darüber gelegt haben, und nichts würde diesen eisigen Mantel durchdringen.
    Rebecca war längst aufgesprungen. Nackt stand sie da, die Hände gegen die Wangen gepreßt, ratlos, hilflos, gelähmt vor Schrecken.
    Es sah aus, als würde Mariah sich gegen einen unsichtbaren Peiniger wehren - und zugleich doch ganz anders. Als wäre der Andere längst in ihr - und viel mehr und tiefer, als es ein Mensch je sein konnte!
    Dieser Anblick war schon furchtbar genug.
    Aber als noch grauenhafter empfand Rebecca die Lautlosigkeit, in der alles vonstatten ging. Mariah gab keinen Ton von sich. Das Wälzen ihres Körpers, das Klatschen, mit dem ihre Arme und Beine wieder und wieder gegen den Fels schlugen, und das monotone Plätschern des Wassers, das nach wie vor aus den Brausen lief, waren die einzigen Laute im Raum. Abgesehen vom rasenden Trommeln ihres eigenen Herzens, das, wie Rebecca glaubte, im ganzen Kloster zu hören sein mußte.
    Vielleicht war es dieser Gedanke, der sie aus ihrer Erstarrung riß.
    Einen Augenblick zögerte Rebecca noch, sich umzuwenden und loszulaufen, um Hilfe zu holen.
    Es war genau der Augenblick, in dem sie feststellen mußte, daß es - was immer es auch sein mochte - erst begonnen hatte.
    Daß eine Steigerung des Schreckens noch möglich war.
    Und es hatte noch nicht aufgehört, als Schwester Rebecca dann endlich doch die Kraft fand, davonzurennen.
    Naß und nackt und fast blindlings.
    Sie floh regelrecht aus den Gewölben unter dem Kloster.
    Und ihre Flucht endete erst in den Armen der Ehrwürdigen Mutter.
    *
    Wie tot hatte Schwester Mariah auf dem Boden des Duschraumes gelegen. Dampfschwaden hatten ihren Körper wie kleine Geister umtanzt, als wollten sie die Blöße der jungen Nonne verbergen. Oder als wären sie der Odem des Lebens, der aus ihr gewichen war und sich
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